Das Thema Fachkräftemangel beschäftigt uns seit einigen Jahren. Es vergeht kein Tag, an dem es nicht in den Nachrichten auftaucht: im Sommer blieben Schwimmbäder geschlossen, weil Bademeister fehlten. Renommierte Gasthäuser schließen ihre Pforten, weil ihnen die Köche oder Servicemitarbeiter ausgegangen sind. Der Wiederaufbau von Notre Dame ist in Gefahr, weil es nicht genug qualifizierte Handwerker gibt. Von den Gesundheits- und Pflegeberufen ganz zu schweigen. Gefühlt fehlt es an allen Ecken und Enden, Panik macht sich breit.

Die Diskussion um den Fachkräftemangel beschäftigt die Politik, die Wirtschaft, die Unternehmer, die Personaler. Was ist denn die Wahrheit? Ist es ein Mythos oder bittere Realität? Wer fehlt und wenn überhaupt, wie viele?

Wahrheit Fachkräftemangel

„Empirisch belegt ist der Trend, dass in Deutschland über Jahrzehnte hinweg mehr Arbeitskräfte in den Ruhestand treten werden, als Neueinsteiger in das Berufsleben eintreten werden. Belegt ist ferner, dass die Arbeitslosenquote umso niedriger ist, je besser die Schul- und Berufsbildung einer Gruppe von Erwerbspersonen sind. Es liegt nahe, hieraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es in Deutschland einen allgemeinen Mangel an Arbeitskräften geben könnte, dessen Intensität zunimmt, je höher die nachgefragten Qualifikationen sind.“ (Quelle: Wikipedia)

Mythos Fachkräftemangel

„Fachkräftemangel ist ein Kassenschlager. Meinungsforschungsinstitute machen Umfragen in immer mehr Landkreisen und Branchen und belegen das Wachsen des Fachkräftemangels. Blöd nur, dass „weniger Bewerbungen“ immer als sinkende Zahl von Fachkräften ausgelegt werden. Bekommt ein Unternehmen weniger Bewerbungen, ist die einfachste Begründung: Fachkräftemangel.“ sagt Martin Gaedt, Autor des Buches „Mythos Fachräftemangel“ in einem Interview.

Und was ist eigentlich mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung? Auch dieser Fortschritt verändert den Arbeitsmarkt, sorgt für weniger Routineaufgaben, bei denen bislang Fachkräfte tätig sind.

Personaleralltag: Es wird schwieriger, die richtigen Mitarbeiter zu finden

Sie stehen meistens nicht Schlange vor den Unternehmen, die so stark vermissten Fachkräfte. Ich kenne kaum Personaler, die nicht klagen, dass der Bewerbungseingang stark zurückgegangen sei. Wer ein gutes Monitoring im Recruiting hat, mag vielleicht sogar belegen können, dass die time to hire stark gestiegen ist.

Und trotzdem gibt es Unternehmen, die weiterhin beliebt sind und denen scheinbar potenzielle Mitarbeiter die Türen einrennen. Genau DA sollten wir hinschauen und überlegen, was diese Unternehmen womöglich anders machen. Vielleicht können wir dann feststellen, dass der eigene Fachkräftemangel ein stückweit hausgemacht ist?

Warum spüren andere den Fachkräftemangel nicht?

Warum sind manche Unternehmen attraktiver als andere? Die Gründe können vielfältig sein:

  • Wegen einer tollen Produktmarke
  • Einem guten Ruf als Arbeitgeber
  • Flexible Arbeitszeitmodelle und lebensphasenorientierter Planung
  • Inspirierende Stellenanzeigen
  • Gute Gehälter
  • Attraktive Zusatzleistungen
  • Persönliche Karrierewege
  • Unbefristete Verträge
  • … die Liste kann beliebig fortgesetzt werden.

Das sind alles Spekulationen, eine Auflistung von Möglichkeiten. Eines wird dabei deutlich: eine Pauschalaussage kann nicht die richtige Antwort sein. Eine aktuelle Studie* von Hays klärt die Frage, ob Fachkräftemangel nun Mythos oder Wahrheit ist nicht abschließend, aber sie zeigt deutliche Tendenzen und Handlungsfelder auf.  *Die Studie kannst Du unter diesem Link downloaden.

„Eine differenzierte Herangehensweise an den Fachkräftemangel ist entscheidend“ fasst Frank Schnabel (Head of Marketing/Corporate Communications bei Hay) zusammen.

Alles schöne Theorie, aber was bedeutet das für die Praxis?

Wieder einfach die richtigen Mitarbeiter finden

Ich weiß, dass „einfach“ nicht unbedingt die leichteste Übung der Personalerwelt ist. Ich bin sicher, dass die Herausforderung trotzdem lösbar ist. Natürlich nur, wenn das allgemeine Jammern und Klagen eingestellt wird und neue Wege beschritten werden. Diese „neuen Wege“ müssen übrigens nicht immer Sprünge über Lichtjahre hinweg sein, manchmal reichen schon besondere Akzente, um neue Ergebnisse zu erzielen.

1) Das Gute ist so nah

Eine neue Stelle ist geplant: das heißt fast immer automatisch, dass die Stelle extern ausgeschrieben wird und ein Recruitingprozess startet. Ist das wirklich notwendig? Können die Aufgaben nicht von bestehenden Mitarbeitern bearbeitet werden, wenn ihre Kompetenzen gestärkt werden? Oft höre ich, dass Karrierewege quer durch Unternehmen nicht unterstützt werden. Warum denn nicht? Mitarbeiter, die um Weiterentwicklung bitten, sind ernst zu nehmen. Wie können wir loyale Mitarbeiter am Meisten belohnen? Indem wir ihnen Optionen bieten.

2) Langfristige Personalbedarfsplanung

Einer der Gründe für den vermeintlichen Fachkräftemangel ist das „plötzliche“ Ausscheiden vieler Arbeitnehmer in einem kurzen Zeitraum. Das ist planbar. Wie gehst Du damit um? Gibt es schon Pläne für Nachbesetzungen? Förderungen von Nachwuchstalenten? Ein transparentes Wissensmanagement?

Ich habe schon oft gute Erfahrungen damit gemacht, mit Mitarbeitern über einen Zeitraum von mehreren Jahren einen Entwicklungsplan zu vereinbaren. Das gibt Transparenz und Planbarkeit für die Zukunft und dem Mitarbeiter eine Perspektive, wie wir die Zukunft gemeinsam gestalten.

Diese Personalentwicklung kann übrigens auch an „neuen“ Standards orientiert sein. Nicht immer sind die klassische Meisterausbildung oder das Studium der beste Weg. Neue Angebote ermöglichen ein flexibles Lernen. Was es dazu braucht, ist Offenheit für alternative Angebote.

In dem Zusammenhang sind wir Personaler stark gefordert. Wenn wir die Personalentwicklung einzig den Führungskräften und Mitarbeitern überlassen, werden strategisch relevante Themen womöglich nicht ausreichend betrachtet. Das stelle ich zurzeit hautnah fest, wenn ich an Trainings zum Thema Digitalisierung teilnehme. Es heißt ja dauernd, dass die Vielzahl der Unternehmen nicht über „digitale Kompetenz“ verfüge. Umso überraschter bin ich, wenn genau solche Kursangebote wegen geringer Anmeldungen ausfallen. Mal ganz abgesehen davon, dass reine Präsenztrainings vielleicht nicht das adäquate Angebot zum Thema Digitalkompetenz sind? 😉

3) Flexible Beschäftigungs- und Arbeitszeitmodelle

So viele sind auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, nach ihrer Berufung – und möchten sich dabei nicht zwischen Arbeit und dem „Rest des Lebens“ entscheiden müssen. Der Ruf nach Teilzeitstellen wird lauter. Manche Unternehmen haben den Wunsch nach mehr Flexibilität schon verstanden und bieten „geteilte“ Stellen an: zwei Mitarbeiter, die in Teilzeit arbeiten und dann die Stelle zu 100% füllen.

„Stell dir eine Welt vor, in der Menschen mit weniger Arbeit mehr erreichen.“ sagen die Macherinnen von Tamdemploy und bieten eine Plattform für Jobsharing.

Elternteilzeit, Altersteilzeit, Pflegeteilzeit – all das sind Wege, die eine Beschäftigung in speziellen Lebensphasen ermöglichen.

Wie sieht es mit einem Sabbatical aus?

Oder als kleinster möglicher Schritt mehr Flexibilität durch Gleitzeit oder Homeoffice?

Manchmal mag es auch eine gute Option sein, externe Dienstleister einzubinden. Ich kenne viele Freelancer, die Interimsmandate übernehmen oder für Projekte im Einsatz sind. So gewinnst Du den Blick über den Tellerrand, eine neutrale Außensicht und erhöhst die eigene Kapazität. Ganz bequem für den notwendigen Zeitraum. Werbung in eigener Sache: Das ist eine gute Idee für HR? Dann melde Dich einfach bei mir.

Und falls Du gerade etwas unwillig den Kopf schüttelst: Das sind Optionen, die das Drüber-Nachdenken wert sind. Kleine Änderungen, die dazu führen könnten, dass Du Mitarbeiter bindest und als attraktiver Arbeitgeber punktest.

4) Attraktive Arbeitgebermarke

Einmal eine attraktive Arbeitgebermarke bitte, aber zügig! 😉 Eh klar, dass das nicht so funktioniert, oder?

„Deine Marke ist das, was Menschen über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist!“ – Jeff Bezos

 

Was erzählt man sich denn über Dein Unternehmen? Warum das für das Finden der richtigen Mitarbeiter wichtig ist und was Du unternehmen kannst, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, kannst Du in den folgenden Blogbeiträgen lesen:

Employer Branding für KMU

7 Mythen über Employer Branding

Betrugsfall Arbeitgebermarketing

5) Neue Wege im Recruiting

Was denn noch alles neu? Und vor allem: wie? Diese Fragen sind relativ leicht zu beantworten: Es kommt darauf an. Nämlich auf Deine Zielgruppe. Wie kannst Du Dich als Arbeitgeber bei Deinen potenziellen Mitarbeitern bewerben?

Auch hier möchte ich auf ein paar Blogartikel verweisen:

Recruiting der Zukunft

Die häufigsten Fehler im Recruiting

4 ultimative Tipps für die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau

10 Wege, wie Du Deine Bewerber garantiert vergraulst

Arbeitest Du mit Kennzahlen? Hast Du ein gutes Monitoring? Das unterstützt Dich dabei, Deine Zielerreichung noch besser zu verstehen. Denn gerade bei allen Online-Aktivitäten ist das Verhalten Deiner potenziellen Mitarbeiter gut nachvollziehbar. Aus diesen Daten lassen sich dann Konsequenzen für Deine Recruitingaktivitäten ableiten.

Und noch eine Frage: Wie erreichst Du die Menschen, die durchaus wechselwillig sind, aber nicht aktiv nach einer neuen Beschäftigung suchen? An dieser Stelle erwähne ich Active Sourcing, das aber eben nicht wie Recruiting funktioniert. Falls Du Interesse an dem Thema hast, melde Dich gerne bei mir. Ich nenne Dir dann ein paar Kontakte aus meinem Netzwerk.

Schluss mit dem Fachkräftemangel-Jammer

Einfach die richtigen Mitarbeiter finden, das ist auch für mich gefühlt nicht mehr so einfach wie vor einigen Jahren. Aber es ist nicht unmöglich.

Wenn wir es schaffen, den Jammer- und Klagekreislauf zu durchbrechen, dann haben wir wieder den Kopf frei für Kreatives. Onlinemaßnahmen bieten gute Möglichkeiten eines Monitoring, um aus den Daten dann wieder Optimierungspotenzial abzuleiten.

Ich wünsche Dir mutige Ideen, wie Du einfacher die richtigen Mitarbeiter findest.
Und viel Spaß dabei.

Silke