Neben meinen Beratungsprojekten und firmeninternen Kommunikationstrainings, übernehme ich auch regelmäßig temporäre Einsätze im Personalmanagement. Oftmals entstehen diese Kontakte über Personalberatungsagenturen und so erlebe ich hin und wieder ganz „normale“ Bewerbungsverfahren aus Sicht eines potenziellen Mitarbeiters.
Meine Erfahrungen liegen zwischen Begeisterung (eher selten) und Entsetzen; auch selten. Viele Unternehmen haben gute Ansätze und sind leider in der Umsetzung und Gestaltung der Bewerbererlebnis-Welt zu nachlässig.
Aus meinen ganz persönlichen Erfahrungen aus Sicht eines Bewerbers habe ich eine Top 10 erstellt, wie Du garantiert die Bewerber vergraulst und Deine potenziellen Mitarbeiter in die Arme der Konkurrenz treibst. Achtung: Ironie. 😉
#1 Du bleibst anonym und inkognito
Personaler sind geübt darin, alles über einen Bewerber, der in den Kreis der potenziellen Mitarbeiter auserwählt wurde, herauszufinden. Manche Bewerbung nimmt deswegen schon das Format eines Atlas ein, gefüllt mit Motivations- und Referenzschreiben, Zertifikaten, Leistungsnachweisen, Zeugnissen und dem Lebenslauf. Und wehe, es gibt eine Lücke im Lebenslauf. Fehlt das Foto des Bewerbers, landet die Bewerbung oft ohne weitere Aufmerksamkeit auf dem Absage-Stapel.
Dieser Offenheit des Bewerbers begegnest Du am besten mit viel Tarnung. Selbst das Nennen Deines Namens wäre schon zu viel an Information, geschweige denn die direkten Kontaktdaten oder gar ein Bild von Dir herauszugeben. Für den Bewerber ist es ausreichend, wenn er als zuständigen Ansprechpartner für seine Bewerbung die „Personalabteilung“ kennt.
#2 Du halluzinierst beim Schreiben der Stellenausschreibung
Manche Stellenbeschreibungen lesen sich wie Fantasiegeschichten. Ja, Fantasy ist gerade „in“ und es gibt sogar ein paar Buchtitel in den Bestseller-Listen. Warum nicht diesen Trend aufnehmen und für die sonst sehr nüchterne oder gar langweilige Stellenbeschreibung nutzen? Bestimmt fühlen sich die besten Kandidaten angesprochen, wenn Du fantasievoll einen „Auf-den-Grund-Geher“ oder einen „Managing Assistant for Chief Head of Verbal Communications“ finden möchtest.
Garniert mit interessanten Qualifikations-Kombinationen, die nicht nur selten, sondern womöglich weltweit limitiert sind, stellst Du sicher, einen wirklich besonderen Mitarbeiter zu gewinnen. Ein weltweites Unikat.
#3 Du blähst Deine Stellenanzeigen mit Worthülsen auf
Wenn Du eh das weltweite Unikat finden möchtest, dann lässt Du auch alle Formulierungen vermeintlich wichtig klingen. Formuliere eher vage und lass immer reichlich Interpretationsspielraum, damit die Stelle interessant genug wirkt und möglichst viele Kandidaten anspricht.
Es gehört als Arbeitgeber schon zum guten Ton, nicht nur Teamfähigkeit, sondern auch Kommunikationsstärke, Belastbarkeit und Flexibilität als Standardqualifikation zu fordern. Du weißt schon, was gemeint ist. Und der Bewerber sollte es erst recht verstehen.
#4 Du versteckst Deine Karrierewebseite
Das ist die logische Konsequenz aus Deiner Anonymität, siehe Punkt eins. Die Inkognito-Strategie braucht Tragweite und darum sollten auch alle Informationen über Dein Unternehmen als Arbeitgeber professionell versteckt sein. Am besten auf der Unternehmenshomepage in einem Untermenü von „Aktuelles“. Wer sich für das Unternehmen als Arbeitsgeber interessiert, der wird sich schon die Zeit nehmen und Aufwand betreiben, die relevanten Informationen zu recherchieren.
#5 Du berücksichtigst keine Bewerbungen auf dem Postweg
Digitalisierung ist doch eh in aller Munde. Und Bewerbungen auf dem altmodischen Postweg sind nun gar nicht Arbeiten-4.0-konform. Also werden sie nicht berücksichtigt. Das kommunizierst Du auch schon in der Stellenanzeige. Basta. – „Papierbewerbungen“ sind nur zulässig, wenn sie als Email bei Dir eingegangen sind und Du sie ausdruckst.
#6 Du hältst Dich nicht an Zusagen
Nach dem Bewerbungsgespräch hast Du zwar angekündigt, dass Du Dich im Lauf der nächsten Woche meldest, aber das Wetter hält sich ja auch nur selten an die Vorhersage. Menschen sind es gewohnt, zu warten – sonst würde es in manchem Supermarkt an der Kasse zu wilden Szenen kommen.
Und wer wartet, der hat Dich immer in Erinnerung und bleibt gespannt. Hoffentlich sogar voller Vorfreude. Als Kind war das Warten aufs Christkind auch immer wunderschön und aufregend.
#7 Du schweigst über den Grund der Absage
„Nach sorgfältiger Prüfung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir uns für einen anderen Kandidaten entschieden haben.“ Das reicht als Grund doch völlig aus. Noch einfacher und schneller wird die Bearbeitung des Absage-Stapels, wenn Du Dir Deine bevorzugte Standardfloskel als Stempel anfertigen lässt. Einfach auf das Motivationsschreiben des Bewerbers stempeln und retour.
#8 Du bewahrst absolute Funkstille
Eine Bestätigung, dass eine Bewerbung bearbeitet wird und wie viel Zeit Du brauchst, um den Bewerber über die nächsten Schritte zu informieren, ist überflüssig. Jeder Bewerber wird schon sehen, wann der potenzielle Arbeitgeber reagiert. Und wer seine Unterlagen per Post schickt und bei einer Absage auch noch erwartet, dass er seine Mappe zurückbekommt, der ist ganz schön verträumt.
Die ganz aufdringlichen Bewerber melden sich telefonisch. Wenn die Inkognito-Strategie bis ins Detail ausgefeilt ist, bleibt jeder Personaler davon verschont. Und falls ein Kandidat um Rückruf bittet: mit der Zeit erledigt sich alles von selbst. Also einfach die Ruhe bewahren und aussitzen.
#9 Du redest schlecht über Deine Mitarbeiter
„Unsere Mitarbeiter sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren“, das steht doch in jeder Unternehmensbroschüre. Warum so viel Aufhebens um die Kollegen? Überall gibt es einen bestimmten Anteil Pappnasen – warum solltest Du das nicht zugeben? Selbst wenn Menschen im Mittelpunkt stehen, beinhaltet das auch, dass sie manchmal einfach im Weg sind.
Transparenz macht einen guten Eindruck. Genau betrachtet, redest Du nicht schlecht, sondern gibst Hinweise nach außen, dass Du bald wieder neue Mitarbeiter suchst. Es schadet ja nie, die Webetrommel zu rühren.
#10 Du verschweigst Lohn und Gehalt bis zum letzten Moment
Das Mystifizieren des Lohns oder Gehalts ist wichtiger Bestandteil des Bewerberpokers. Wer in einem tollen Unternehmen arbeiten darf, sollte sich darüber freuen – und nicht durch eine Frage über seinen Verdienst den positiven Eindruck schmälern.
Das Geschäft „Arbeit gegen Geld“ ist doch klar. Und die Geldfrage wird am Ende geklärt, da ist die Verhandlungsposition am besten. Bewerber sind Bittsteller und der Arbeitgeber erwartet Dankbarkeit für die Anstellung.
Und jetzt ohne Ironie: Jeder Bewerber schenkt Dir als potenziellen Arbeitgeber sein Vertrauen. Ein wenig mehr Menschlichkeit und Wertschätzung machen den Bewerbungsprozess um ein Vielfaches positiver.
Wie Du als potenzieller Arbeitgeber punkten kannst, das ist eines der Themen, zu denen ich gelegentlich Seminare und Workshops anbiete. Du möchtest keinen Termin mehr verpassen? Meine Newsletterabonnenten halte ich darüber auf dem Laufenden. Und falls Du auch rechtzeitig darüber informiert sein möchtest, dann trag Dich doch auch einfach ein.
Zusammenfassung: Wie ist die Bewerbersicht auf Dein Unternehmen?
Ich habe übertrieben, mal wieder. Ja. Und durch diese Überzeichnung fällt Dir an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein Gedanke ein, was Deine Bewerber besser nicht erleben sollten.
Schau immer mal wieder mit den Augen des Bewerbers auf die Prozesse und Kontaktpunkte im Unternehmen. Die externe Sicht lindert Betriebsblindheit.