Die ersten fünf Jahre der Selbständigkeit sind die schwersten. Wenn Du das schaffst, dann hast Du gewonnen. (Aus einem Märchen, das mir irgendjemand irgendwann erzählte.)

Heute ist es demnach soweit: Ich bin Gewinnerin. Heute vor fünf Jahren habe ich mein Gewerbe als Unternehmensberaterin angemeldet. Ich habe gar keine konkrete Erinnerung daran. Nichtmal eine verklärte, dass ich freudestrahlend die Bezirkshauptmannschaft verließ und stolz verkündete, dass ich nun die Arbeitswelt retten werde.

Ich erinnere mich an Formalitäten. An wochenlange Email-Korrespondenz mit dem Firmenbuchgericht, das meine Firmennamen wie Wegekreuz oder carota nicht akzeptieren wollte. An meine Zweifel, wie ich alles rund um die Selbständigkeit verstehen soll, als Migrantin in Österreich.

Meine Motivation zur Unternehmensgründung war ursprünglich mehr ein weg von Umständen als hin zu einer Vision. Ich hatte wenige Wochen zuvor einen längeren Krankenhausaufenthalt, der mir deutlich zeigte, dass Dranbleiben um jeden Preis nicht die beste Option war. Das hat mich wachgerüttelt, und ich habe Entscheidungen getroffen, die überfällig waren: meine Stelle in der Schweiz gekündigt, meine Ausbildung zur Social Media Managerin gemacht. Nachdem der Arbeitsmarktservice diese Weiterbildung nicht unterstützte und ich stattdessen Lohnbuchhalterkurse machen sollte, fühlte ich mich wieder bedrängt, Dinge zu tun, die ich nicht mag. Die Idee, „mein eigenes Ding“ zu machen und einen Beitrag zu einer glücklichen Arbeitswelt zu leisten, wuchs.

Irgendwann in der Zukunft, so hoffe ich, werde ich eine mitreißende Unternehmensgeschichte erzählen. Wie damals alles in einer Garage – ähm… Mist, es war schon eine Wohnung 😉 – begann und wie ich es scheinbar spielend schaffte, erfolgreichste Unternehmerin des Jahrhunderts zu werden. Und dazwischen liegt eben ein Weg. Mein Weg, der nicht immer schnurgerade ist und auch nicht nur ein Tanzen über Blumenwiesen oder durch den Regen.

Der Preis

Meine liebe Freundin Mirjana sagt oft, dass alles im Leben einen Preis hat. Diese Vorstellung gefiel mir ganz und gar nicht. Für alles einen Preis zahlen, das klang für mich zu negativ. Ganz unpassend zu meiner Vorstellung von viel Freude und Leichtigkeit im Leben. Weit entfernt von einer glitzernden Einhorn-Regenbogen-Welt. Ich bin überzeugt, dass es auch Geschenke im Leben gibt und nicht nur zu zahlende Preise. Wenn ich den Preis in Konsequenz umbenenne, dann passt es.


Alles im Leben, egal ob Aktion, Reaktion oder Inaktivität – alles hat eine Konsequenz. Immer.


Als Selbständige siehst Du alle Konsequenzen sehr schnell, wahrscheinlich viel schneller als in einer Angestellten-Tätigkeit. Dort gibt es ja auch immer die anderen, die Verantwortung tragen und teilen; Kollegen, mit denen man sich berät und im Zweifel ist es ja ganz leicht (Achtung: Ironie), heikle Entscheidungen einfach an den Chef zurück zu delegieren.

Die ersten zwei Jahre meiner Selbständigkeit liefen genial gut. Als ehemalige Arbeitgeber von meinem Schritt in die Selbständigkeit hörten, hatte ich umgehend erste Aufträge. Ich war bekannt als Personalerin, die immer die richtigen Mitarbeiter findet. Als Coach und Sparringpartner für Führungskräfte. Als Trainerin und Mentorin für die Nachwuchsführungskräfte. So bekam ich tolle Aufträge und interessante Projekte. Zu meinem Leidwesen allerdings fast alle in Norddeutschland, so dass ich dort nun mehr Zeit verbrachte, als daheim im Ländle.

Ich fand mich plötzlich im Dilemma einer Einzelunternehmerin: in Projektzeiten war ich gut beschäftigt und habe alles für meine Kunden gegeben – und mein Marketing und das Gewinnen von neuen Projekten vernachlässigt. Nach Projektende war ich also mit dem Problem konfrontiert, keine neuen Beratungsaufträge zu haben. Also Fokus auf Marketing und Akquise. Ein Auf und Ab. Es gab Monate, in denen ich beim Universum Champagner bestellt hatte und Kamillentee bekam. Monate, in denen ich grübelte, dass mein Dranbleiben um jeden Preis in der Vergangenheit schon einmal fatale Folgen hatte. Lohnte sich das alles?

Bei einem meiner Aufträge habe ich zu der Zeit dann auch noch viel Lehrgeld bezahlt, ganz im Sinne des Wortes. Verkäuferisch wenig wertvoll, aber aus voller Überzeugung, habe ich einem Kunden ein sehr ehrliches Feedback zu einer Personalentscheidung gegeben. Ihm gesagt, dass ich seine Vorgehensweise als heikel einschätze. „Klartext und konkret reden“ ist nicht nur ein runtergespultes Verkaufsargument von mir, ich meine und halte es auch so. Tja, und das war in dem Moment zu viel Offenheit für eine weitere Zusammenarbeit.

Ich weiß, dass mein bevorzugter Arbeitsstil unabhängig ist. Ich tüftel gerne an neuen Konzepten und werkel vor mich hin. Was ich dann zu einem positiven Abschluss brauche, ist die Umsetzung dieser Ideen. Genau da endet allerdings meine Zuständigkeit als Berater. Und offen gesprochen packt mich manches Mal die Unruhe, wenn ich bei meinen Kunden sehe, was wir alles Großartiges entwickelt und für die Praxis vorbereitet haben und es am Ende als tolle Idee in der Schreibtischschublade verstaubt. Für reine Theorie würde ich forschen. Wissen wird für mich erst wertvoll, wenn es auch praktisch etwas bringt. Und ich brauche zu meinem Erfolgsempfinden auch eine Realisierung.

Wertlose Ideen

Das Gelernte

Also ist in der Selbständigkeit alles blöd und schwierig? Nein, nicht alles. 😉 Blöd wäre es, wenn ich einfach den Kopf in den Sand stecke. Oder aus den Hürden und Hindernissen nichts lerne. Und gelernt habe ich in den letzten fünf Jahren viel über Menschen, über Schein und Sein und vor allem über mich.

Kooperationen, Netzwerke und Dienstleister sind für den Erfolg maßgeblich. Du musst nicht alles alleine erledigen. Selbst, wenn Du es anfangs könntest. 😉 Diese Fragen sollten eine regelmäßige Übung sein (und lohnen sich auch dann, wenn Du nicht selbständig bist): Worin bist Du wirklich gut? Konzentriere Dich auf Deine Kernkompetenz. Und selbst, wenn Du Dich für tausende von Dingen interessierst und in hunderten gut bist: was ist der gemeinsame Nenner?

Das Selbermachen-Wollen und das Gefühl, es selbst am Besten zu können, ist eine bedrohliche Verführung. Oft höre ich den Spruch, dass selbständig ja auch „selbst“ und „ständig“ bedeutet. Ja, das kann es wirklich bedeuten, wenn ich in gewohnter operativer Hektik rund um die Uhr arbeite. Wie schnell ist er dann aus, der Traum der Unabhängigkeit, wenn ich mich in meinem eigenen Hamsterrad wiederfinde! Und in einem heroischen Selbst-Experiment habe ich mir bewiesen, dass selbst eine 100-Stunden-Woche keine Produktivitätssteigerung bringt.

Um meine Botschaft und meine Vision einer glücklichen Arbeitswelt zu den Personalern zu bringen, musste ich an meiner Sichtbarkeit arbeiten. Vor allem wollte ich auch in Vorarlberg bekannt sein. Ich habe Mailings geschrieben, meinen Blog gestartet, gratis Expertenwissen angeboten, mich auf facebook engagiert und offene Seminare veranstaltet. Mein Vorteil ist, dass auch Vertrieb und Marketing ein Teil meiner beruflichen Laufbahn sind. So war vieles nicht völlig neu. Außerdem schreibe ich gerne und der Blog ist dann fast wie ein Hobby – vorausgesetzt, ich gönne mir auch die Zeit zum Schreiben. Groß ist meine Freude, wenn ein Blogartikel vom Haufe Verlag empfohlen wird, mich Blog-Leserinnen auf Veranstaltungen erkennen oder Kollegen erzählen, dass sie in meinem Blog gestöbert haben.

Sichtbarkeit bedeutet auch, den Mut zu haben, sich persönlich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es sind vor allem meine Erfahrungen und Erlebnisse im Personaleralltag, die andere ansprechen. Meine erfolgreichsten Blogartikel sind nicht die tiptop recherchierten, in denen es um fachliches Knowhow geht, sondern es sind meine persönlichen Geschichten. Und natürlich gibt es auch Menschen, die meine Methoden kritisieren oder mich persönlich nicht mögen.


Everybody´s darling stirbt mit der Entscheidung für mehr Sichtbarkeit. 


Größte Erkenntnis: Ich brauche die Kombination aus Beratung und Praxis.

Der Gewinn

5 Jahre plusculum e.U. – was habe ich denn gewonnen?

In einem älteren Blogbeitrag habe ich es schon geschrieben: die Selbständigkeit ist meine herausforderndste Persönlichkeitsentwicklungsmaßnahme, an die ich mich je herangetraut habe. Mir kommt es manchmal so vor, als würde ich schon mantra-artig herunterbeten, dass Veränderung die einzige Konstante im Leben ist. Und genau DAS ist die Kernherausforderung meiner Selbständigkeit. Nichts steht still – und ich bin gefordert, immer am Ball zu bleiben, immer auf dem Laufenden zu sein, um weiterhin glaubwürdig beraten zu können.

Mein größter Gewinn ist meine Klarheit, welche Werte mir wirklich wichtig sind und wie mein bevorzugtes Arbeitsmodell aussieht. So viel Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit ist in vielen Unternehmen als Angestellte nicht zu realisieren. Falls ich mich heute entscheiden müsste zwischen meinem Unternehmen und meiner Aufgabe als Personalleiterin, würde ich mich für „mein eigenes Ding“ entscheiden.

Mit dem, was ich heute an Beratungsinhalten anbiete, an Knowhow und Dienstleistungen, habe ich noch nicht mein Optimum erreicht. Mich erreichen regelmäßig kritische Fragen, ob ich als Unternehmensberaterin wirklich meine Berufung lebe. Eine liebe Bekannte und Gesundheitscoachin hat dazu gesagt, dass ich „inkognito“ arbeite, weil es mir im Grunde gar nicht um die Unternehmen geht, sondern um die Menschen in den Unternehmen. Ja, das stimmt.


Es geht mir immer um die Menschen – und dass Unternehmen davon profitieren ist ein positiver Nebeneffekt.


Und wenn die Unternehmensberatung der Türöffner für mich ist, um positive Arbeitswelten zu kreieren, dann ist es gut so.

Heute stehe ich mit meinem „beruflichen Doppelleben“ und einer Führungsposition in Teilzeit als Vorbild für „New Work“. Auch spannend, denn das war nie bewusst mein Ziel. Da ticke ich viel egoistischer: Arbeitszeit = Lebenszeit. Und ich möchte viel Spaß und Freude in meinem Leben haben.

Kümmere Dich um Deinen Gewinn

Was ich Dir wünsche, unabhängig in welchem Beruf Du arbeitest oder welche Aufgabe Du hast, egal ob selbständig oder angestellt:

Sei ehrlich zu Dir. Mache Deinen Weg nicht für andere, sondern für Dich.

Bleib neugierig und teste mutig alles, was Dir Freude vorbereitet.

Für eine Montagswelt. Für den Montagsruck.