Als Aufbruch der HR Branche wurde die Veranstaltung #HRmachtNextAct in Köln angekündigt. Es ging um das Dauerbrennerthema: Gestalten statt verwalten. Ein exklusives Treffen von 250 HR-MacherInnen, die in ihrem Bereich etwas bewegen und zu sagen haben. Und ich als Teil davon, mittendrin. 🙂 Natürlich stolz, als sei ich für einen Oscar nominiert. Außerdem voller Freude auf die machenden Personaler, die Unternehmen mitgestalten statt nur Verwalter zu sein.

Silke Glüsenkamp HR Macherin

Meine Erwartungen an den Termin waren hoch und der Blick auf die Gästeliste vielversprechend. Der Tag war ähnlich wie ein Barcamp organisiert: es gab die Möglichkeit, an verschiedenen Themenrunden teilzunehmen oder Podiumsdiskussionen zu lauschen.

Im Club der Gleichen

Da waren sie, die HR-Macher. Wider Erwarten dezent gekleidet, in gedeckten Farben und wie es sich für Verantwortliche in Unternehmen gehört, eine homogene Menschenmasse in dezenten Tönen. Die Herren im schmalen blauen Anzug mit Hochwasserhosen. Braune Schuhe dazu. Wer nicht so italienisch wirken mochte, trug längere Hosen und dunkle Schuhe. Krawatten sind aus der Mode. Alles ganz uniform. Wer ein Zeichen setzen wollte, dass er nicht der Masse folgt, trug bunte Ringelsocken. Das waren so viele, dass es auch schon wieder „Mainstream“ 😉 ist. Die Damen sind ähnlich uniform. Dunkle Hose, weiße Bluse. Wer sich abheben möchte, trägt Glitzersneaker.

Werde ich hier überhaupt jemandem glauben können, der über eine einzigartige Positionierung als Arbeitgeber spricht, wenn am Ende doch alle aus dem Club der Gleichen sind?

Ich habe verschiedene Formate getestet, zugehört, mitgeredet, oft den Kopf geschüttelt.

Nach einem halben Tag „Beratersprech“ sank meine Toleranzgrenze. HR soll Enabler sein. Digitale Tools. Wir brauchen Cultural Manager. Damit challenge ich das Board. Über welchen Channel soll ich das announcen? Und im nächsten Meeting sollten wir das sounden. HR muss People Management sein. Es gibt mehr People Management als HR; wie können wir da einen Seat am Board verlangen?

Selbst, wenn Deutsch gesprochen wurde, blieb es oft eine Plattitüde: „Wir müssen die Leute mitnehmen.“ „Den Dialog muss ich mit der Linie antreten.“ „Wir müssen alle an der Diversität partizipieren lassen.“ „Personal ist unser wichtigstes Gut. Nicht nur als Sonntagsgerede.“

Die Kopfschüttel-Momente

„Was ist der Purpose von HR? – Wir müssen Anwalt der Belegschaft sein.“

Diese Aussage finde ich wirklich gruselig. Ja, aus der Position im Unternehmen ergibt sich, dass wir uns auf mitarbeiterbezogene Themen konzentrieren. Aber als Anwalt der Belegschaft? In der Rolle habe ich immer die Betriebsräte gesehen. Als Personalerin, die Einfluss auf die Unternehmensentwicklung hat, sehe ich meine Aufgabe darin, für eine Arbeitswelt zu sorgen, in der das Arbeiten Spaß macht und gute Unternehmensergebnisse erzielt werden.

„HR muss die Strategie gestalten.“ – Fünf Sätze später: „HR muss der Strategie folgen.“

Was denn nun? Strategisch gestalten oder einer Strategie folgen? Für mich sind das zwei unterschiedliche Kompetenzschwerpunkte. Und da so verwirrende Aussagen den ganzen Tag immer wieder von derselben Person herausposaunt wurden, entstand bei mir der Eindruck, dass das Auffordern zum aktiven Gestalten nur ein Aktionismus-Blabla ist. Wo blieb die letzte Konsequenz, zu führen statt zu folgen? Verantwortung zu übernehmen statt zu klagen? Hat HR nun eine eigene Vision oder nicht?

Die Glanzpunkte

Christa Stienen: „Will ich ein gemütliches HR Leben oder eine Meinung? Auf jeden Fall muss ich mich entscheiden! – HR ist nicht gemütlich, wenn ich Stellung beziehe und nicht Handlanger bleibe.“

Stephan Grabmeier: „Technik ist nicht das Problem bei der Digitalisierung. Der Engpass ist die Kompetenz der Mitarbeiter.“

Eine Teilnehmerin: „Wenn bei HR kein Kompetenzverdacht besteht, fragt sie auch keiner.“

Ein Teilnehmer: „HR muss auch nicht jeden Scheiß mitmachen.“

„Transformation ist keine Alternative. Wir müssen entscheiden, ob wir mitmachen oder nicht.“

„Wir dürfen nicht auf die perfekte Lösung warten. Wir müssen starten, um zu lernen. Wenn ich auf ein fertiges Tool warte, verändere ich nie.“

Chatbot = Quatschroboter

HR macht Meinung

# HRmachtNextAct … und mir an dem Tag Kopfschmerzen. Ganz symptomatisch für das Hin und Her zwischen der Forderung, dass HR strategisch denken und gestalten solle statt sich mit unwichtigen Detail-Verwaltungsaufgaben zu beschäftigen, war die Podiumsdiskussion „HR macht Meinung“.

„HR macht Meinung“ lautete die These, begleitet von der Frage, wieviel Meinung und Öffentlichkeit für HR denn gut sei. Die ganze Diskussion entglitt nach einer Weile in die Fragestellung, in welchen sozialen Medien die Personaler denn ihre Meinung vertreten. Noch detaillierter: ob ein HR Vorstand Zeit findet, persönlich seine Gedanken zu twittern. Laaaaangweilig und genau das Klein-Klein-Zeugs, das für eine übergeordnete Strategie unwichtig ist. Und als eine Gen-Y-HR´lerin, wie sie sich selbst bezeichnete, anmerkte, dass sie sich persönliche Kontakte wünsche und keine Chatbots, disqualifizierte sich die antwortende Person mit der Aussage, sie habe keine Zeit, auf Chatbots zu sein. Wenn man keine Ahnung hat, dann einfach mal … nix sagen.

Ein Zuhörer fasste dann deutlich den Wunsch an die Personalvorstände zusammen: „Es geht nicht darum, eine Meinung zu haben, sondern Meinung zu machen.“

Meine wichtigsten Erkenntnisse

  • Geringelte Socken und Glitzersneaker machen noch lange keine Diversität.
  • Das Anderssein von neuen Mitarbeitern möglichst lange erhalten, um von der anderen Perspektive profitieren zu können.
  • Statt zu lamentieren und zu theoretisieren, ist es wichtig, einfach mal zu machen. Besser mit kleinen Schritten starten, um die Arbeitswelt im Unternehmen zu gestalten, als niemals etwas bewirkt zu haben.
  • Für die Zukunft von Unternehmen ist nicht die digitale Technik entscheidend, sondern die Lernfähigkeit der Mitarbeiter ist ein zentraler Hebel.
  • Ich lasse nicht locker, HR-Macherin zu sein. Mein Ziel: auch im nächsten Jahr wieder dabei sein und einen Unterschied machen.

Mein Wunsch für die HR-Welt

„Ich sehe flächendeckend noch keinen Aufbruch“ sagte Professor Dr. Walter Jochmann, Kienbaum nach der Veranstaltung. Darum wünsche ich mir mehr MacherInnen, die nicht schwafeln, sondern konkret sind. Und generell mehr Frauen, die den Mut haben, sich zu positionieren und sich trauen, Arbeitswelten zu gestalten.

Ich habe mir den Termin am 23. März 2018 schon reserviert. Denn dann heißt es wieder „Next Act“ und der Veranstalter rechnet dann mit mehr als 2.000 Teilnehmern.

Sehen wir uns als HR-Macher?

Silke_Glüsenkamp_HRMacher