„Wir suchen schon seit Monaten nach einem neuen Mitarbeiter – und finden keinen!“ Dieses Klagelied höre ich nicht selten von Personalern, die sich in der Tat mächtig anstrengen, endlich einen passenden Kandidaten zu finden. Und dass es immer schwieriger werde, überhaupt noch gute Leute zu finden, die einen Job suchen. Ist es denn wirklich nahezu unmöglich geworden, die richtigen Mitarbeiter zu finden?
Schnell wird dann auch der Fachkräftemangel angeführt, der ja nun überall deutlich zu spüren sei. Ja, der Fachkräftemangel – die gesellschaftlich anerkannte Ausrede für langweiliges Recruiting, wie Martin Gaedt formulierte.
Ich frage mich, warum Unternehmen
- mit einer guten Stellenausschreibung
- einem angemessenen Gehalt
- und einer guten Arbeitsatmosphäre
keine Mitarbeiter finden. Immerhin wissen wir, dass jeder zweite mit seiner Arbeit unglücklich ist und die Stelle wechseln möchten.
In einer Studie von Manpower nannten die befragten Unternehmen ihre wichtigsten Gründe für den Fachkräftemangel:
Quelle: Manpower. Studie 2015 Fachkräftemangel.
Zu wenig Bewerber
35% der befragten Unternehmen klagen über zu wenig Bewerber. Wie schon gesagt, die Ursache sind wohl weniger die zahlreichen Menschen, die mit ihrer Arbeit unzufrieden sind.
Auf welchem Weg suchen Unternehmen denn nach ihren Wunschkandidaten? Ein Großteil inseriert noch immer am Wochenende im Stellenteil der regionalen Zeitung. Oft auch parallel mit einer Online-Anzeige, die allerdings nur eine PDF-Variante der Printanzeige ist. Das würde ich sogar noch durchgehen lassen, wenn wenigsten das Inserat in der Zeitung gut wäre.
Der Stellenmarkt sieht jede Woche gleich aus: Stellenanzeigen in vorgegebenen Formaten mit Standardtexten. „Wir sind der Marktführer für die größten und bedeutendsten Produkte und suchen Verstärkung für unser Team. Unser Wunschkandidat soll vor allem teamfähig, flexibel und belastbar sein. Soziale Kompetenz und gute Kommunikationsfähigkeit setzen wir voraus. Senden Sie uns bitte Ihre aussagekräftige Bewerbung.“
Einfach nur noch den Namen des Unternehmens einsetzen, eine Liste mit mindestens 15-25 fachlichen Anforderungen ergänzen und schon kann die Anzeige gedruckt werden. Falls zu wenige Bewerbungen kommen, dann wird die Anzeige einfach nochmal vierfarbig und größer gedruckt.
Ja, darin steckt viel Ironie – und leider auch viel Praxis. Stellenanzeigen haben sich zu einem Einheitsbrei entwickelt, sind Floskelfallen und bieten dem potenziellen Kandidaten wenig konkrete Informationen.
Es ist kein Hexenwerk, die Anzeige sprachlich so zu gestalten, dass die richtige Zielgruppe angesprochen wird. Jede Werbung wird in ihrer sprachlichen Wirkung gestaltet. Das lässt sich auch für Stelleninserate nutzen, denn die Anzeigen sind ja auch Werbung. Werbung für ein Unternehmen, Werbung für einen Arbeitsplatz. Mit Klartext und der Anwendung von Sprach- und Strukturelementen ist die zielgenaue Ansprache der Wunschkandidaten möglich.
Welches Optimierungspotenzial haben Deine Stellenanzeigen? Du wünschst Dir Unterstützung beim Kreieren von großartigen Stellenanzeigen? Dann schau Dir doch einfach mal das Klartext-Angebot an.
Anforderungen an den Bewerber
Gemäß der Studie von Manpower sind unzureichende Fachkenntnisse, fehlende Erfahrung und fehlende soziale Kompetenz unter den Top 5 Gründen des empfundenen Fachkräftemangels.
Das erste, was mir dazu einfällt, ist die eierlegende Wollmilchsau. Nicht selten sehe ich riesige Stellenanzeigen, die schon aufgrund der Anforderungsliste so groß sein müssen. Die Erwartungen an den Wunschkandidaten sind enorm und oft genug auch unrealistisch. Flexibel, belastbar, auslands- und berufserfahren und obendrein blutjung sollen die Superhelden sein.
Liz Ryan bringt dazu einen tollen Vergleich. Im Grunde seien Personaler wie Einkäufer, nur dass sie Mitarbeiter „einkaufen“ statt Waren oder Rohstoffe. In jedem Unternehmen wird von der Einkaufsabteilung erwartet, dass sie die Materialversorgung sicherstellt, zu ordentlichen Preisen einkauft und den Markt kennt. Eine Aussage wie „Sorry, das gibt es leider nicht – es liegt am Markt“ ist nicht akzeptabel. Es muss eine Lösung geben.
Falls die Anforderungen an Produkte rein der Fantasie entspringen, dann wird der Einkauf die Anforderung klären und um real existierende Komponenten bitten. Oder das Design eines Produktes ändern lassen.
Wenn Führungskräfte sich nun also die eierlegende Wollmilchsau wünschen und ihre Anforderungen fern jeder Realität sind, dann ist es die Aufgabe der Personaler, das zu klären. Eine Anforderungsliste mit 20 Punkten in Kombination mit dem Gehalt eines Auszubildenden ist unrealistisch. DU kennst den Arbeitsmarkt, also sei klar in Deiner Position und vermittle, was realistisch ist.
Zum Thema Gehalt nur ein kleiner Hinweis:
„Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle.“ – Robert Bosch –
Neue Wege im Recruiting
Wer sich andere Ergebnisse wünscht, muss Dinge anders tun oder andere Dinge tun. Die Manpower-Studie sagt aus, dass Unternehmen eher träge sind, neue Wege für die Mitarbeitersuche Mitarbeiterfinde zu nutzen.
Quelle: Manpower. Studie 2015 Fachkräftemangel.
Welche Möglichkeiten gibt es? Ein paar Ideen und Anregungen:
- AKTIV einen Wunschkandidatenpool aufbauen
- Empfehlungsprogramme implementieren
- Kooperationen mit anderen Unternehmen eingehen
- Neue Zielgruppen ausfindig machen
- Talente über die Ausschreibung eines Wettbewerbs oder Awards ansprechen
- Frechmutige Botschaften veröffentlichen
- Sich beim Wunschkandidaten bewerben
- Umständliche Bewerbungstools ausschalten und möglichst früh persönlich mit den Wunschkandidaten kommunizieren
Dass man dem Fachkräftemangel ein Schnippchen schlagen kann, indem man einfache und andere Wege nutzt, um die richtigen Mitarbeiter zu finden, beweist eine Bäckerei in Wien. „Brot verkaufen ist keine Rocket Science“ und so verzichtet der Bäcker Ströck erfolgreich auf Bewerbungen.
Welche Ideen hast Du für neue Wege der Mitarbeiterfinde? Was funktioniert schon gut? Ich freue mich auf Deine Anregungen.
Sei kreativ und wag doch einfach mal etwas Frechmut. Es macht Spaß.
Silke
Hallo liebe Silke,
vielen Dank für Deinen schönen Artikel. Hier mal ein paar Anregungen von mir für die bessere Bewerbersuche:
1. Die Karriereseite
Viele Unternehmen nutzen dieses mächtige Instrument gar nicht. Gestaltet die Karriereseite am besten übersichtlich und informativ! Vielleicht gibt es von jeder Abteilung ein Bild, damit die Bewerber sehen können, wer ihre potentiellen neuen Kollegen sind und wie die Arbeitsplätze aussehen. Möglicherweise lohnt sich auch die Einbindung eines Youtube-Videos. Wer weiß, was ihn beim neuen Arbeitgeber erwartet, bewirbt sich eher dort. Dann muss der Recruitingprozess schnell gehen! Kommt die Online-Bewerbung über das Portal, sollte sich schnellstmöglich mit der Fachabteilung ausgetausch werden. Schnelles Feedback ist für den Bewerber wichtig auch, wenn es negativ ist. Im besten Fall zahlt sich Ehrlichkeit aus (begründete Absage). Wenn es passt, muss der Weg zwischen Bewerbung und Vorstellungsgespräch kurz sein. Über die Karriereseite kann man natürlich auch einen perfekten Bewerberpool aufbauen. Wenn es heute nicht passt, passt es vielleicht morgen (an anderer Stelle)…
2. Messen und Veranstaltungen
Ob es die Jobmesse ist oder eine Uni-Veranstaltung. Präsenz zeigen, lohnt sich immer. Noch besser ist es, wenn man sich für einen Fachvortrag bereit erklärt. Auch hier zählt wieder die Außenwirkung.
3. Attraktivität sichtbar machen
Die Metro lädt über 800 Azubis zu einer Megaparty ein. Das spricht sich rum! Ob Unternehmenslauf, Firmenband oder soziales Engagement. Der Umgang mit Mitarbeitern wird von den Bewerberinnen und Bewerbern wahrgenommen. Wer es schafft, seine Attraktivität zu zeigen, wird mehr Bewerbungen erhalten.
4. Präsenz in sozialen Netzwerken
Ob Facebook oder Xing, netzwerken lohnt sich. Es gibt genug Gruppen, in denen man Stellenangebote posten kann. Wer ausreichend Kapazitäten hat, kann zum Beispiel auch eine eigene Facebookseite erstellen. Wichtig ist, dass diese auch gepflegt wird. Über Jobnetzwerke kann man gezielt nach Personal suchen. Sprechen Sie dabei nicht nur Leute an, deren Status „Aktiv auf Jobsuche“ ist. Menschen fühlen sich geschmeichelt, wenn ein Unternehmen direkt Kontakt aufnimmt. Selbst wenn jemand nicht wechseln will, kennt er ggf. jemanden, der es möchte. Über soziale Netzwerke kann die Reichweite des eigenen Unternehmens hervorragend ausgebaut werden.
5. Geeignete Werbemittel
Ob nun die Stellenanzeigen des Bäckers auf der Brötchentüte oder die klassische Jobreklame auf den Firmenautos. Es gibt so viele Möglichkeiten, kreativ zu werden und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Gratis USB-Sticks für die Informatikklasse der städtischen Schulen mit Informationen zum Ausbildungsberuf? Warum nicht? Hier muss die HR Abteilung auch nicht allein gelassen werden. Wenn der Weg zur Marketingabteilung nicht allzu weit weg ist, lohnt es sich vielleicht, dort mal Hallo zu sagen…
Hallo Florian,
danke für die vielen Tipps. Beim Lesen habe ich die ganze Zeit genickt und gedacht „Genauso! Ganz einfach.“
Vor allem das Thema Karriereseite wird aus meiner Sicht oft unterschätzt. Erst letzte Woche habe ich einen Bekannten bei seiner Bewerbung unterstützt und mich gefragt, wo er auf der Homepage des Unternehmens überhaupt die Stellenanzeige gefunden hatte. Irgendwann habe ich sie als Unterunterunterseite entdeckt. Wenig informativ, dabei sah das Gesamtdesign des Webauftritts sehr gut aus. Schade, wenn Unternehmen so Potenzial verschenken.
Ich mag auch sehr gerne den Einsatz von Werbemitteln und überraschenden Werbeaktionen, bei denen das Marketing meistens gerne unterstützt. Es muss nicht immer extrem teuer sein. Kürzlich erzählte Daniela Ben Said noch in einem ihrer Vorträge davon, wie ein Autohaus auf offene Stellen aufmerksam gemacht hat. Das Unternehmen hat ein Fahrzeug an der Fußgängerzone geparkt und rundum mit Post-Its versehen, auf denen der Aufruf zur Bewerbung stand. Verblüffend, aufällig, mit Wirkung.
Danke für Deine Anregungen, die hoffentlich bei vielen Personalern als Anregung aufgegriffen werden.
Beste Grüße, Silke