Von Ninjas, Superhelden, Aufdengrundgeher und Lead Control Tower.

Letzte Woche habe ich einen neuen Beruf entdeckt: Lead Control Tower. Ein Speditionsunternehmen sucht aktuell diesen „Turm“, um das Team zu ergänzen. Abgesehen von der Frage, ob wir wirklich keine deutschen Begriffe mehr zur Verfügung haben, um Arbeitsinhalte zu beschreiben, wundere ich mich, was das für ein Mitarbeiterturm sein soll. So jemand wie Hightower in Police Academy? Also besonders groß?

Ohne Ironie: wer glaubt an den Erfolg solcher Stellentitel? Es ist gut und richtig, sich als Arbeitgeber aus der Masse der Stellenangebote abzuheben. Gerne auch kreativ, solange es zielführend ist. Ist es das noch, wenn ich Lead Control Tower oder Aufdengrundgeher suche?

Stellentitel

StellentitelMit dem Boom der Internetfirmen Ende der 90er wandelten sich auch die Stellenbezeichnungen, die ja mittlerweile Jobtitle heißen. Aus Außendienstmitarbeitern oder Vertriebsbeaufragten wurden Sales Account Manager oder Key Account Manager. Das gab dem Ganzen einen modernen Klang. Wer auf deutsche Stellentitel zurückgreift, scheint altbacken zu sein.

Natürlich entstehen auch neue Berufe, für die eine deutsche Bezeichnung lustig klingen würde. Und wer vom Fach ist, findet sich womöglich in Bezeichnungen wie Labside CAM/ CAD Sales Specialist, Zuverlässigkeitsingenieur oder Supervisor für weltweite Einsätze wieder.

Die Kreativität bei den Stellentiteln nimmt auch absurde Formen an

Stellentitel

Hier findest Du weitere heitere Stellenbezeichnungen.

Der Blick über den großen Teich ist gar nicht notwendig, auch bei uns gibt es solche Fälle.

Die guten Absichten

Die modern klingenden Stellentitel haben oftmals die Absicht, das Image eines Berufes aufzuwerten, oder im übertriebenen Fall gar Arbeitsinhalte zu beschönigen. Am Ende bleibt es doch ein altes Bild, das in einen neuen Rahmen gepackt wird in der Hoffnung, dass es niemand bemerkt.

Nehmen wir das Beispiel der Putzfrau. Diese Stelle ist nun meistens als Reinigungsfachkraft ausgeschrieben. Diese Bezeichnung verleiht der Arbeit mehr Wertschätzung und Anerkennung. Das ist aus meiner Sicht eine gute Absicht, die funktioniert. Benenne ich es nun als Raumpflegekunstmanager, dann ist es am Ziel vorbeigeschossen.

Die kreativen Titel bieten Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen. Gerade bei Freiberuflern. Eine Marketing-Superheldin oder ein Human Resources Rockstar machen schon mit dieser Bezeichnung einen bleibenden Eindruck. Wenn dahinter eine interessante Geschichte steht, umso besser. Das kann zu einer persönlichen Markenbildung beitragen.

Werden so fantasievolle Stellenbezeichnungen von Unternehmen nach außen kommuniziert, hat es ebenfalls eine relevante Markenwirkung. Diese Unternehmen heben sich von der Masse ab.

“If handled correctly, the external message these kinds of titles and job descriptions sends will be meaningful to the entire broader audience interested in your company, signaling that your organization is different from the norm.“ Ed Nathanson, Director of Talent Acquisition, Rapid7

Der mögliche Schaden

Du magst vielleicht denken, dass die kreativen Stellentitel total lässig und modern klingen, aber sie können Deinem Unternehmen auch schaden.

Glaubst Du, dass eine kreative Stellenbezeichnung für Dich in Deinem Beruf und bei der Suche nach dem geeigneten Kandidaten gut funktioniert? Du glaubst nicht, dass Menschen solche Stellentitel haben und kommunizieren? Bei der Suche in XING nach Mitgliedern, die ein „Ninja“ in ihrer aktuellen Positionsbeschreibung haben, findest Du 81 Mitglieder: Server Ninja, Director and Productivity Ninja, Marketing Ninja. Auch Superhelden und Genies sind dort versammelt.

Ich habe mich gefragt, ob ich diese Menschen zu einem Gespräch einladen würde. Klar, ich persönlich finde die eher ungewöhnlichen Menschen und Lebenswege immer spannend und interessant. Der Punkt ist jedoch: Hat der potenzielle Mitarbeiter eine Chance mit der kreativen Stellenbezeichnung gefunden zu werden? Wir suchen im Datenbestand nach unseren Schlüsselworten und -qualifikationen. Da gehören Ninjas und Genies üblicherweise nicht dazu.

Wer denkt sich solche Titel aus?

Viele Jahre habe ich für einen Unternehmer gearbeitet, der es völlig albern fand, seinen Stellentitel auf der Visitenkarte zu nennen. Das sei vielleicht noch für Berufseinsteiger relevant, aber „wenn Du ein paar Jahre im Job bist, ist es doch völlig wurscht.“ Für ihn waren Titel und Stellenbezeichnungen Schall und Rauch, und oft überließ er es den Mitarbeitern, sich eigene Stellenbezeichnungen zu geben.

Die Vorgehensweise ist auch bei Google etabliert und die wohl bekannteste Stellenbezeichnung ist die von Chade-Meng Tan: Jolly Good Fellow (Which nobody can deny)

Stellentitel

Der selbstgewählte Stellentitel reduziert Stress

Für den einen sind Titel nicht wichtig – für den anderen sind sie ein wichtiger Beitrag zu seinem Wohlempfinden. Eine amerikanische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass selbstgewählte Stellentitel die emotionale Belastung reduzieren können. Die Untersuchungen zeigen, dass der selbstgewählte Berufstitel einen wichtigen Beitrag zum Ausdruck der eigenen Identität darstellt und durch diese Ausdrucksmöglichkeit die emotionale Erschöpfung sinkt.

Titelwirrwarr mit Konsequenzen

Die eigene Titelvergabe macht glücklich. Jedenfalls den einzelnen. In wachsenden Unternehmen ist es unter Umständen heikel. Solange die Hierarchien flach sind und alles gut läuft, sind auch „übertriebene“ Titel unkritisch. Steigt die Zahl der Mitarbeiter und benötigt die Organisation größere Strukturen, dann werden Fantasietitel zum Stolperstein für die Mitarbeiter.

Solange beispielsweise nur ein Mitarbeiter für die IT zuständig ist und sein Hauptaufgabenbereich im Einkauf und Unterhalt der Hardware liegt, mag die Stellenbezeichnung „CIO – Chief Information Officer“ noch funktionieren. Benötigt das Unternehmen dann mit wachsender Mitarbeiterzahl einen „echten“ CIO, sind Konflikte absehbar.

„If you take someone’s title away, there’s a good chance you’re going to lose that person,“ sagt Rob Wilson, Vorstand bei Employco, die eine solche Situation schon meistern mussten. Mitarbeiter waren in Bezug auf ihren Stellentitel unterqualifiziert und überbezahlt. Solche Situationen finden sich nicht nur in wachsenden Unternehmen. Allein schon die Bezeichnung „Manager“ schafft eine bestimmte Erwartungshaltung – und oft managen diese Mitarbeiter nichts und niemanden, außer sich selbst.

Es geht auch ohne Stellentitel

Dass es auch (fast) ohne Titel geht, zeigt die Richards Group, ein Marketingunternehmen in Dallas. Dort hatte sich die freie Titelwahl zu über 50 verschiedenen Stellenbezeichnungen allein in der Markenabteilung ausgeweitet. Im Jahr 2003, berichtet die Direktorin Diane Fannon, wurden radikal alle Titel abgeschafft. „The Richards Group erased the titles of 560 employees and gave the company’s 20 executives the same title: principal. Some longtime employees were leery of the move, particularly those who had spent years earning lofty titles. Still, nobody quit, and staffers now seem to be more focused on their jobs than on their titles.”

Was Bewerber erwarten

Stellentitel

Quelle: competitiverecruiting.de 

Bewerber erwarten Stellentitel, die das Finden einer passenden Position leicht machen. Zu viel Kreativität verwirrt. Die Bewerber suchen eher nach bekannten Stellenbezeichnungen. Zurückhaltung und Einfachheit sind angebracht. „Ingenieur für Ölplattformen“ ist leichter zu finden und damit zielführender als „Fördern Sie mit uns die Energie für die Welt.“

Mit einem Augenzwinkern

Du suchst Anregungen für kreative oder gar völlig unsinnige, aber wichtig klingende Stellentitel? Dann findest Du unter den folgenden Links womöglich das passende:

Stellentitel

Hier kannst Du Deine eigene Visitenkarte generieren.

Stellentitel

Falls Dir diese Variante besser gefällt, gibt es hier mehr davon.

Stellentitel

Und noch eine Möglichkeit!

 

 

Zusammenfassung: Präzise und verständlich

Die Stellenbezeichnung hat die größte Aufmerksamkeit des Bewerbers. Ein präziser Stellentitel führt die richtigen Mitarbeiter zu Dir!

Es wird weiter neue Stellenbezeichnungen geben, schließlich entstehen auch neue Berufsbilder. Behalte einfach im Hinterkopf: der Titel soll informativ sein, nicht unterhaltsam.

Hab Spaß, bis bald,
Silke