Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Anruf. „Schönen guten Morgen, Personal Institut, ich verbinde mit Doktor Soundso.“ Wow, so etwas gibt es noch. Ich war überrascht. In den letzten zwanzig Jahren gab es für mich nur flache Hierarchien und direkte Kommunikationswege. Nun ein Chef, der nicht selbst zum Telefonhörer griff. Ich war neugierig.

„Guten Morgen, Frau Glüsenkamp. Ich habe einen Brief von Ihnen bekommen. Sie sind mutig!“ Ach, darum ging es also. Ich hatte die regionalen Personalberater zu meinem Impulstraining „Mit effektiven Stellenanzeigen einfach die richtigen Mitarbeiter anziehen“ eingeladen. Wie schön, nun lag meine Einladung auf dem Tisch des Geschäftsführers.

Er fuhr fort und las offensichtlich von meiner Homepage meine Ausbildungen und Qualifikationen vor: „Das ist eine beachtliche Liste von Kompetenzen.“ Ich war einen Moment geschmeichelt und als ich zu einem Filterkaffee in das Personal Institut eingeladen wurde, dachte ich sofort daran, dass ich als Kandidatin für eine vakante Position interessant sei. Herr Soundso startete mit einer Befragung.

Deswegen hatte ich ja nun nicht meine Trainingseinladung verschickt. Und am Telefon wollte ich mich auch nicht ausfragen lassen. „Wieso finden Sie, dass ich mutig bin?“ unterbrach ich die Fragenreihe. Und dann wurde mir mit der Antwort einiges klarer. Ich sei mutig, weil ich als Deutsche ein Einzelunternehmen ausgerechnet im Bregenzerwald hätte, obwohl ich den Vorarlberger Arbeitsmarkt und die Unternehmen wahrscheinlich nicht kenne.

Diese „Sorge“ war bestimmt keine Nettigkeit, sondern ich hatte eine Grenze überschritten. Seine Grenze.

„Sie haben einen professionellen Auftritt. Gute Website (Anmerkung: die ist im Gegensatz zu der des Personal Instituts sogar responsive 😉 ), der Flyer und auch das Anschreiben. Das machen Sie doch nicht alleine.“ Was wollte der Typ nur von mir? Zweifelte er an meiner Professionalität? Ich unterbrach ihn nochmals. Bedankte mich höflich für das nette Feedback und fragte, ob er denn nun auch am Impulstraining teilnehmen wolle. Ob das der Grund seines Anrufs war.

Nein, wollte er nicht. Stattdessen wollte er wissen, wie ich denn die Stellenanzeigen für die Unternehmen gestalte. Ich hätte doch bestimmt eine Agentur im Hintergrund und sei nicht nur Einzelunternehmerin. Ich verstand seine Fragen nicht mehr und habe ihm nochmals geduldig erklärt, dass ich Personaler und Unternehmer darin unterstütze, einfach die richtigen Mitarbeiter zu finden. Als Unternehmensberaterin und nicht als Personalvermittlerin. War das etwa der Knackpunkt für ihn?

„Sie dürfen keine Stellenanzeigen gestalten. Das nimmt man hier in Vorarlberg sehr genau. Da schauen die Agenturen drauf. Nicht, dass Sie Probleme bekommen.“ Bäm! Ich hatte offensichtlich nicht nur eine Grenze überschritten, sondern da fühlte sich jemand angegriffen. Der Geschäftsführer eines bekannten Instituts versuchte mich einzuschüchtern?

Ich schüttele gerade beim Schreiben noch immer erstaunt den Kopf. Mir Angst machen wollen? Das ist wie eine Reise ins Museum meiner Berufserfahrung. Vor Jahrzehnten hatte ich auch schon keine Angst mehr, als ein Einkäufer von VW ins Telefon schrie „Wissen Sie eigentlich, wen Sie am Telefon haben?“ als ich eine Lieferung verweigerte. 😉 Und nun so etwas im beschaulichen Vorarlberg.

Ist mutig denn frech?

Die Aussage, dass ich mutig sei, sehe ich nun auch nicht mehr uneingeschränkt als Kompliment. Vielleicht hat sich Herr Soundso nicht getraut, mir zu sagen, dass er meine Einladung als frech empfand. Oder provokativ. Das hätte ich von ihm mutig gefunden. Und ehrlich. Ich mag Klartext.

Manchmal braucht es auch zum Briefeschreiben und Absenden Mut. In diesem Fall nicht. Ich hatte Spaß und habe mir bei jedem einzelnen Brief vorgestellt, wie toll es wäre, diese Menschen im Impulstraining kennen zu lernen.

Sichtbarkeit erfordert Mut

Um wahrgenommen zu werden, ist Sichtbarkeit notwendig. Sichtbarkeit erfordert Mut.

Das gilt wahrscheinlich nicht für jeden. Mut ist individuell. Für mich war es ein mutiger Schritt, meinen Blog zu veröffentlichen und mich ganz klar zu positionieren. Es könnte dann ja auch passieren, dass jemand nicht mag, was ich denke und schreibe.

Als dann die erste Kritik an einem Artikel da war, hatte ich ein blödes Gefühl. Und aus der Kritik ist letztlich wieder etwas Tolles entstanden. Ich durfte mich als Expertin auf einem anderen Blog präsentieren.


Menschen ticken anders, haben andere Sichtweisen, glauben an verschiedene Strategien und Wege.
So ist es einfach. So einfach ist es.


Sichtbarkeit und Frechmut waren übrigens auch Themen in meinem Impulstraining „Mit effektiven Stellenanzeigen einfach die richtigen Mitarbeiter anziehen.“ Auch für Unternehmen stellt sich die Frage, ob sie die bekannten Grenzen einfach mal ausblenden und Neues versuchen. Ich wünsche es ihnen. Es lohnt sich.

Das Netzwerk ist die Lösung

Ich nehme an, dass Herr Soundso meine unternehmerischen Aktivitäten wenig schätzt. Ich verstehe das. Ich kenne die „seriösen“ Auftritte der regionalen Personalberater – und sie sprechen damit eine bestimmte Zielgruppe an.

Für mich gilt, Seriosität muss nicht langweilig sein. Und damit spreche ich andere Wunschkunden an. Ich habe ein Bild meiner Lieblingskunden. Eine Vorstellung davon, wie die Unternehmenskultur ist, wie die Mitarbeiter ticken. Und ich weiß, dass ich mit meinen Kunden auch bei aller Ernsthaftigkeit viel lachen kann.

Seriosität muss nicht langweilig sein

Der Markt ist unendlich – und ich biete ja nicht einmal die Personalvermittlung an. Da können alle Personalberater aufatmen, falls sie bislang anderes angenommen hatten.

Meine Kunden sind Unternehmen, die ein Kernstück des Unternehmens, nämlich die Kompetenz, mit den richtigen Mitarbeitern Erfolge zu erzielen, nicht aus der Hand geben. Personaler, die sich trauen, andere Wege zu finden, um potenzielle Mitarbeiter zu begeistern.

Gerne zitiere ich in dem Zusammenhang wieder Prof. Dr. Peter Kruse, der sagte, im Netzwerk liege die Lösung. Das alte Konkurrenzdenken darf verschwinden. Das ist ganz spannend im Bloggerumfeld. Es gibt unzählige Blogger, tausende, die zu ein und demselben Thema bloggen. Jeder auf seine ganz eigene Art, in seinem Stil. Und die Blogger sind untereinander gut vernetzt, kommentieren, kritisieren, empfehlen. Das hat viel mit der Arbeit der Zukunft zu tun.

Ist das mutig?

Ich bin noch immer neugierig, was Herrn Soundso antreibt und ihn so beunruhigt. Ich habe seine Einladung zu einer Tasse Filterkaffee angenommen. Im Netzwerk liegt die Lösung.

Und außerdem möchte ich sicherstellen, dass es mir nicht wie in der Geschichte mit dem Hammer ergeht. Oder Ernie aus der Sesmstraße, als er sich einen Staubsauger ausleihen möchte 😉

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Nachtrag

Den Termin konnte ich wegen Krankheit leider nicht wahrnehmen. Meine Nachricht mit einem neuen Terminvorschlag blieb unbeantwortet. Auch das ist okay. Nicht jeder sucht im Netzwerk die Lösung.

Auch das Impulstraining hat in der Zwischenzeit stattgefunden. Da gab es nicht die Stimmung, dass die Personaler Konkurrenz sind und Austausch vermeiden. Im Gegenteil. Die Teilnehmer waren offen; wir haben viele praktische Beispiele diskutiert und aus der Praxis geplaudert. Ich ziehe eben andere Kunden an.