Alles wird oder ist schon digital, über das Internet erreichen wir die ganze Welt – mit Leichtigkeit. Kontaktaufnahme schnell gemacht. Ein Klick, maximal zwei, und schon sind wir vernetzt. Netzwerken ohne Limit. Was bringen da noch Jobmessen im Zeitalter der virtuellen Realität und der Digitalisierung? Lohnen sich Jobmessen überhaupt noch? Oder sind Recruitingmessen „old school“ und Relikte aus dem Personalermittelalter?

Obwohl ich absolute Fürsprecherin von Digitalisierung bin, habe ich den Eindruck, dass Job- und Karrieremessen nicht völlig bedeutungslos sein können, erreicht mich doch immer wieder Werbung dafür. Selbst die Digital Natives nutzen nicht nur Onlinemedien, sondern auch Events spielen für sie eine nicht unerhebliche Rolle. Immerhin geben 6 von 10 Befragten an, dass sie auch Offline-Veranstaltungen besuchen. (Quelle: GenY-Trendbarometer)

Pro Jobmesse

Einen lebendigen und lebhaften Eindruck hinterlassen. Obwohl virtuelle Marktplätze und Jobbörsen boomen, können diese die persönlichen Kontakte und Gespräche nicht ersetzen. Sympathie und Vertrauen sind nicht digitalisierbar. So einfach ist das. Menschen wollen mit Menschen sprechen.

ertrauen digitalisieren plusculum

Eine interessierte Zielgruppe ansprechen. Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass Besucher einer Jobmesse ein konkretes Anliegen haben. Ich unterstelle ihnen eine Unzufriedenheit mit der aktuellen Beschäftigungssituation und Wechselwilligkeit. Noch direkter kommen wir vor einer Bewerbung kaum mit dem potenziellen Mitarbeiter in Kontakt.

Niedrige Hürde im Recruitingprozess. Oft bringen Besucher von Jobmessen schon Bewerbungsunterlagen mit, meistens einen Lebenslauf, andere haben ganze Mappen dabei. Für alle Beteiligten ist die Einstiegshürde zum Gespräch extrem niedrig. Keine Bewerbermanagement-Software, keine Matching-Resultate, keine vorgeschalteten Tests. So ergeben sich womöglich auch Gespräche, die bei vorgeschalteten Selektionskriterien nicht entstehen würden.

Beitrag zu einer positiven Arbeitgebermarke. Im persönlichen Gespräch können die Mitarbeiter ehrlich und ungeschminkt von ihrem Arbeitsalltag erzählen und Einblicke hinter die Kulissen geben. Imagebroschüren und die Karrierewebsite bleiben durch persönliches Storytelling und die authentischen Unternehmensvertreter im Kopf.

Contra Jobmesse

Eine Messeteilnahme bedeutet immer Kosten. Je nach Messestandort ist die reine Flächenmiete schon ein relevanter Kostenfaktor. Ein Standkonzept wird benötigt, Messearchitektur, Visualisierungen und Grafik, Personal vor Ort. Sind Messeziele nicht klar definiert, dann sind diese Kosten oft ein Diskussionspunkt, weil der Nutzen nicht messbar ist.

Die Aussteller sind in direkter Konkurrenz zueinander. Der Kampf um die Talente ist eh schon anstrengend und auf Jobmessen findet man sich sozusagen Auge in Auge mit dem Nebenbuhler wieder. Die direkte Vergleichbarkeit ist eine Herausforderung. Höher, schneller, weiter. Ein 08/15-Konzept hilft nicht weiter. Wie können sich kleine und mittelständische Arbeitgeber neben den bekannten Marken positionieren? Kreative Wege sind gefragt – und somit sind wir auch gleich wieder beim Kostenthema.

Keine Jobangebote, keine Jobmesse. Nehmen Unternehmen aus Imagegründen an Jobmessen teil, weil „dabei sein alles ist“, dann kann das durchaus negative Auswirkungen auf das Arbeitgeberimage haben. Die Besucher erwarten auf einer Jobmesse eben auch Jobs. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Auch ich war schon aus Imagegründen mit meinem damaligen Arbeitgeber auf einer Recruitingmesse – und wurde von mehreren Besuchern sehr kritisch gefragt, warum überhaupt, wenn es doch kein konkretes Angebot gäbe.

Oft unterschätzter Personalaufwand. Ich kenne Unternehmen, die ihre Praktikanten auf die Messen schicken, um dort den Besuchern Rede und Antwort zu stehen. Natürlich ist das für Besucher unbefriedigend, wenn jedes Gespräch auf der Messe vage bleibt, weil keine Mitarbeiter mit Spezialknowhow und Entscheidungsbefugnis vor Ort sind. Und so schmerzhaft das für uns Personaler nun auch sein mag: auch wir sind selten die richtige Standbesetzung vor Ort. Die Besucher wünschen sich Experten aus dem Unternehmen, die in jenen Bereichen tätig sind, in denen sich der Besucher bewerben möchte.

Recruiting auf Fachmessen

Das Finden von zukünftigen Mitarbeitern auf Fachmessen ist eine Vorgehensweise mit viel Potenzial. Allgemeine Job- und Karrieremessen sind für ein bunt gemischtes Besucher- und Ausstellerpublikum. Das heißt natürlich auch, wenn sich Hans und Franz einfinden, wir aber Hanni und Nanni suchen, dass die Messeteilnahme eine Luftnummer war.

Umso attraktiver sind Karrierebörsen oder –messen, die im Rahmen von spezifischen Fachmessen stattfinden. Ein Beispiel: die Job & Carreer im Rahmen der CEBIT in Hannover.

„Fachmessen als Recruiting-Plattform? Ja, bitte! Was früher eher als Mitnahmeeffekt gesehen wurde, ist heute eines der wichtigsten Messeziele“ meint AUMA-Geschäftsbereichsleiter Harald Kötter im Gespräch mit der „WELT“ (4.3.2019) zum Thema Recruiting im Kontext von Fachmessen.“ (Quelle: Industriemagazin.at) 

Auf den fachspezifischen Karrieremessen ist es für qualitativ gute Resultate noch wichtiger, die richtigen Mitarbeiter am Stand zu haben. Auf den Fachmessen reicht kein oberflächliches Geplänkel mit den Besuchern, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Expertise ist gefragt.

Wer kommt auf den Gedanken, auf der gamescon, der größten Gamermesse, Mitarbeiter zu suchen? Scheint total abwegig, weil das Zielpublikum zu jung ist? Falsch gedacht! Es gibt die Jobmesse „Jobs & Karriere“, an der nicht nur Spielehersteller teilnehmen, sondern auch Aldi, Daimler, Rehau oder das Deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz.

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Quelle: Ausstellerinfo

Lehrlingsmessen

In Vorarlberg startet immer im September mit Beginn des neuen Schuljahres das Werben um die Lehrlinge für das nächste Jahr. In dem Zusammenhang finden auch zahlreiche Lehrlingsbörsen, Ausbildungsmessen oder Mitmach-Messen statt. Diese Messen brauchen einen anderen Fokus als die Karrieremessen, bei denen wir ins Gespräch mit Absolventen oder Berufserfahrenen kommen.

Auf den Lehrlingsmessen stellen die verschiedenen Aussteller ihre Betriebe und die Lehrberufe im Unternehmen vor. Reden und Plakate sind in dem Fall meist wenig hilfreich. Bewährt haben sich Stände, bei denen die Jugendlichen selbst aktiv werden dürfen. Das macht die Berufe im wahrsten Sinne begreifbar.

Und um an dieser Stelle auch die deutschen Blogleser zu beruhigen: Die Lehrlinge werden in Österreich wirklich als „Lehrlinge“ bezeichnet. Das ist nicht abwertend gemeint, wie das deutsche Hirn es womöglich interpretieren würde. 😉

Für die Azubi-Suche in Deutschland gelten durchaus noch andere Rahmenbedingungen bedingt durch das höhere Durchschnittsalter der Bewerber für Ausbildungsstellen.

7 Schritte zur Vorbereitung von Recruitingmessen

  1. Messeziele definieren
  2. Budget festlegen
  3. Design des Messestandes mit einem Profi besprechen
  4. Gutes Bewerben der Messeteilnahme
  5. Schulung des Standpersonals
  6. Nachlese der Messe, Nachhaltigkeit durch Kontaktpflege
  7. Erfolgskontrolle und Lessons Learned

Jobmessen sind also ganz und gar nicht „oldschool“. Wichtig ist, dass sie die Arbeitgebermarke und die verschiedenen Recruitingmaßnahmen gut unterstützen. Die persönlichen Kontaktmöglichkeiten sind DAS Pro-Argument für Jobmessen.

Wichtig bei allem ist es, gut vorbereitet an den Messen teilzunehmen.

Viel Erfolg und Spaß!
Silke