Die Ferienzeit ist bald zu Ende. Und damit ist in meinem Bekanntenkreis auch das Thema „Flugangst“ bis zur nächsten Urlaubssaison erledigt. „Flugangst? Gib uns 5 Minuten und wir überzeugen dich, dass Fliegen sicher ist.“ ist im Reiseblog eines Fluganbieters zu lesen. Dann folgen Zahlen und Fakten, alles nachzulesen. Bei meinem Bekannten Jan haben auch 10 Minuten lesen nicht gereicht, um an Flugsicherheit zu glauben. Selbst Verena, die als Flugbegleiterin arbeitet, konnte ihn mit zahlreichen heiteren Fluggeschichten nicht überzeugen, dass Fliegen eine angenehme Art des Reisens sein kann. Jan glaubt nur, was er selbst schon erlebt hat. Er muss immer selbst den Beweis antreten. Vielleicht dann im nächsten Jahr. 😉

Wir treffen Entscheidungen, weil wir von der Wahrheit von etwas überzeugt sind. Wie lässt Du Dich überzeugen, was gut für Dich ist? Wie kann Dich ein Mitarbeiter überzeugen, dass er der richtige für den nächsten Karriereschritt ist? Wie kannst Du Bewerber überzeugen, dass Euer Unternehmen der richtige Arbeitgeber ist?

Metaprogramm „Überzeugungsstrategie“

Diesen Namen für das Metaprogramm wirst Du in der Literatur kaum finden; ich habe ihn gefunden, weil er im Deutschen die Art des Wahrnehmungsfilters am besten beschreibt. Es geht darum

  • welche Art von Informationen eine Person benötigt, um von etwas überzeugt zu sein und eine Entscheidung zu treffen und
  • wie oft diese Überzeugung stattfinden soll.

Im Gegensatz zu den anderen Metaprogrammen, über die Du hier schon im Blog lesen konntest, hat dieses keine polare Ausprägung und besteht, wie schon beschrieben, aus zwei Teilen:

  • Überzeugungskanal (Convincer-Kanal)
  • Überzeugungshäufigkeit (Convincer-Modus).

Es geht um die Frage, was es braucht, damit eine Person überzeugt ist. Was macht etwas oder jemanden glaubwürdig?

Der Überzeugungskanal

Welche Art von Informationen benötigt jemand, um überzeugt zu sein? In welchem Wahrnehmungskanal sammelst Du Informationen, um zu einer Überzeugung zu gelangen?

Ueberzeugungskanal

 

  • Sehen: müssen Beweise sehen
  • Hören: auf das hören, was jemand sagt
  • Lesen: Berichte, Reports lesen
  • Handeln: handeln, auch mit jemanden zusammenarbeiten, um sich zu überzeugen

Wie erkennst Du den relevanten Überzeugungskanal?

Im Vorstellungsgespräch kannst Du den Bewerber fragen, woran er erkennt, dass sein Mitarbeiter oder sein Kollege gute Arbeit leistet. Oder Du greifst ein Thema auf, über das ihr gesprochen habt, sei es das neue Auto oder der letzte Urlaub. Dann frag einfach, warum Dein Gesprächspartner sich dafür entschieden hat.

Beispielantworten:

Sehen: „Ich sehe ihn ja bei der Arbeit.“, „Ich brauche ihm nur zuschauen.“, „Das sehe ich sofort.“, „Ich lasse mir eine Arbeitsprobe zeigen.“

Hören: „Ich lasse mir von ihm seine Vorgehensweise erklären.“, „Ich habe gehört, wie er dem Kunden erklärt hat.“, „Es klingt gut, was er mir erklärt hat.“

Lesen: „Er hat gute Arbeitszeugnisse.“, „Ich lese seine Berichte.“, „Er hat vielversprechende Prognosen geschrieben.“

Handeln: „Ich habe mit ihm zusammengearbeitet, um ein Gefühl dafür zu bekommen.“

Die Antworten können auch komplexer sein. Menschen kombinieren auch Überzeugungswege. Zum Beispiel könnte Dir jemand erzählen, dass ihm ein Freund das neue Auto empfohlen hat („hören“) und die Familie deswegen eine Probefahrt gemacht hat („handeln“).

Die Überzeugungshäufigkeit

In welchem Sinneskanal die Überzeugung stattfindet, wissen wir nun. Der zweite Teil der Überzeugungsstrategie ist die Frage nach der Anzahl der „Beweise“, die ein Mensch benötigt. Wie oft muss er sich überzeugen, damit er sich entscheidet?

Es gibt vier Muster:

  1. Automatisch
  2. Mehrere Beispiele
  3. Zeit
  4. Konsistent

erteilung Überzeugungsmodus

Die Verteilung der Muster für den Arbeitskontext. Quelle: „Wort sei Dank“ [Werbung] von Shelle Rose Charvet

1) Automatisch

Diese Menschen brauchen nur wenige Informationen, um sich zu entscheiden. Sie geben anderen oft einen großen Vertrauensvorschuss.

2) Mehrere Beispiele

Diese Personen brauchen eine bestimmte Anzahl an Überzeugungsbeweisen. „Ich muss es drei oder vier Mal sehen.“ Die genannte Anzahl wird recht stabil sein und sich kaum ändern.

Die Werbebranche nutzt diese Kenntnis; Botschaften werden mehrfach wiederholt. Damit werden sie nicht nur bekannter, sondern auch glaubwürdiger.

Das weit verbreitete Muster „mehrere Beispiele“ bringt viele Berufseinsteiger in ein Dilemma: wie sollen sie Erfahrung sammeln, wenn sich die Arbeitgeber nur auf Basis von vorhandener Erfahrung überzeugen lassen?

3) Zeit

Menschen mit einem Zeit-Muster brauchen für eine bestimmte Periode Beweise, die sie überzeugen. „Ich muss den neuen Mitarbeiter ein halbes Jahr beobachten, damit ich sagen kann, ob er die geforderte Kompetenz hat.“

Manchmal stolpern Bewerber über diese Zeit-Orientierung. Bewerber: „Ich habe 15 Jahre Berufserfahrung.“ – Personaler: „Sind es 15 Jahre oder 1 Jahr 15 Mal wiederholt?“ 😉

4) Konsistent

Jeder begegnet in seinem Leben auch konsistent-orientierten Menschen. Sie erscheinen uns als Skeptiker, die niemals zu überzeugen sind. Selbst wenn sie einmal überzeugt werden konnten, ist es nicht „gespeichert“, sondern bei jeder Entscheidung muss die Überzeugung neu erarbeitet werden. „Nur weil er jetzt einmal eine gute Urlaubsvertretung gemacht hat, heißt das nicht, dass es beim nächsten Mal wieder so gut läuft.“

Personen mit diesem Muster sind stärkenorientiert in der Qualitätskontrolle eingesetzt. Im Allgemeinen überall dort, wo Kontrollen im Mittelpunkt der Arbeit stehen.

Wie erkennst Du die notwendige Überzeugungshäufigkeit?

Frag im Vorstellungsgespräch konkret danach: „Wie oft muss ein Mitarbeiter seine Fähigkeiten beweisen, damit Sie seiner Kompetenz vertrauen?“ oder „Wie schnell weißt Du, dass Du einen tollen Vorgesetzten hast?“

Beispielantworten:

Automatisch: „Ich nehme es einfach an.“, „Ich weiß es sofort.“

Mehrere Beispiele: „Ich habe mit ihm ein paar Mal erfolgreich zusammengearbeitet.“

Zeit: „Nachdem wir ein Vierteljahr eng zusammengearbeitet haben, wusste ich es.“

Konsistent: „Ich achte jedes Mal auf sein Verhalten und bislang war es einwandfrei.“

Was es für Recruiting bedeutet

Die Fragestellung nach dem „richtigen“ Überzeugungskanal ist gerade im Recruiting spannend. Welche Informationen benötigt der potenzielle Mitarbeiter, um sich für das Unternehmen zu interessieren und zu entscheiden? Im Vorstellungsgespräch erkennst Du das Muster Deines Gesprächspartners, Du kannst auf den bevorzugten Sinneskanal eingehen und Deine Formulierungen entsprechend wählen.

Die Karriereseite des Unternehmens bietet für jeden Kanal gute Optionen:

  • Sehen: Fotos, Videos, Infografiken
  • Hören: Videos, in denen Mitarbeiter von ihrer Arbeit erzählen
  • Lesen: Texte, Datenblätter
  • Handeln: Quiz, Spiele (Gamification)

Offline, also in der realen Arbeitswelt, sind ein Schnuppertag, Probearbeiten oder ein Tag der offenen Tür die besten Möglichkeiten, um alle Kanäle anzusprechen.

Was es für gute Führung bedeutet

In meiner Karriere als Angestellte hatte ich unterschiedlich strukturierte Vorgesetzte. Das ist grundsätzlich sehr spannend und macht flexibel, im Rückblick. Bevor ich Metaprogramme kannte und zielführend in der Kommunikation anwenden konnte, bin ich an einem Vorgesetzten fast verzweifelt. Mein Eindruck war, dass er mir wirklich viel zutraut und tolle Projekte an mich delegierte. Trotz allem wollte er nahezu täglich Informationen über den aktuellen Stand des Projektes und forderte im ähnlichen Rhythmus Statusberichte von mir. Heute wäre ich einen großen Schritt weiter: mit dem Wissen, dass er für seine Überzeugung Informationen lesen möchte, hätte ich auf mündliche Rückmeldungen verzichtet. Die bei mir aufkeimenden Zweifel an der Qualität meiner Arbeit hätte ich mir auch erspart mit dem Wissen, dass Personen mit einem konsisten Convincer-Modus nie vollkommen überzeugt sind.

Menschen sind also auf unterschiedliche Art und Weise zu überzeugen und auch die Häufigkeit der Kompetenzbeweise sind sehr unterschiedlich.

Mit Blick auf die Mitarbeiter hast Du in der Kommunikation den Vorteil, dass Du Deine Position durch das Eingehen auf die jeweiligen Überzeugungsstrategien stärken kannst.

Womit und wie oft überzeugen?

Welcher Sinneskanal ist für die Überzeugung relevant. Sehen, hören, lesen, handeln?

Wie oft muss ein Überzeugungsbeweis stattfinden?