„Tausche Urlaub gegen Job“ oder „Urlaub könnte ich hauptberuflich machen“ wird das ganze Jahr über in sozialen Medien gepostet. Jeder freut sich auf seinen wohlverdienten Urlaub, der die schönste Zeit des Jahres werden soll.

Wer kennt das nicht, im Alltagstrott, wenn sich womöglich Wetter, Kollegen und Bewerber gegen Dich verschworen haben, sich einfach mit einem Fingerschnippen in den Urlaub zu wünschen. Weit weg, bei einer angenehmen Meeresbrise mit den Liebsten am einsamen, weißen Traumstrand. Einfach fort – und den ganzen Heckmeck auf der Arbeit ausblenden.

Jetzt ist es soweit, die Ferien starten, die Urlaubssaison ist eröffnet. Die schönste Zeit des Jahres ist da! Statt erwartetem Jubel, wenn ich mit meinen Kunden über Urlaub spreche, ernte ich meistens nur ein müdes Lächeln. Urlaub – statt Erholung bedeutet das für viele doppelten Stress.

Veraltete Idee: Urlaub dient der Erholung

Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Urlaub. Und der Urlaub soll der Erholung dienen. Das ist zumindest der Wunschgedanke. Urlaub wird leider immer häufiger zum Erholungskiller und Stressmacher.

Der Extra-Stress beginnt schon vor dem Urlaub. Da wird noch geackert und malocht bis zum Umfallen, damit alles vor dem Urlaub erledigt und abgeschlossen ist. Ziel der Betriebsamkeit ist es, die eigenen „Spezialfälle“ zu lösen, möglichst viel vorzubereiten und einen leeren Schreibtisch zu hinterlassen. Die einen sind motiviert dadurch, dass die Urlaubsvertretung sonst den Schlendrian der vergangenen Monate aufdecken könnte, die anderen sind angetrieben von dem Gedanken, dass der Vertretungskollege sonst auf einem Berg Arbeit sitzen bleibt. Als gäbe es keine Rückkehr werden Stellenanzeigen vorbereitet, Einarbeitungspläne für die neuen Kollegen erstellt, ganze Bewerbungsstapel nochmals sortiert und wenigstens die Absagen verschickt. Einige Mitarbeiter treiben es so weit, dass sie am Tag der Abreise, praktisch auf dem Weg in den Urlaubsflieger, noch schnell die letzten Emails beantworten.

Liegestuhl-Depression und andere Urlaubskrankheiten

Kaum beginnt der Urlaub, macht sich unpassend auch gleich irgendeine Erkältung oder andere Erkrankung bemerkbar. Vielleicht hast Du selbst schon einmal das Pech gehabt, statt am Strand erstmal erkältet im Bett zu liegen.

Das plötzliche Nichtstun im Urlaub bringt nicht bei jedem die gewünschte Erholung. Manchmal reagiert der Körper beim Umschalten von Turbohektik auf Urlaubsnichts mit neuem Stress – und schon sind die ersten Urlaubstage auch Krankheitstage.

Andere erwarten, am ersten Urlaubstag auf Knopfdruck entspannen zu können. Immerhin gehört Entspannung und Erholung zum Bild des perfekten Urlaubs. Und es soll ganz schnell entspannt sein. Auf Knopfdruck, sozusagen. Das gelingt selten – und so stressen sich viele Menschen mit dem Gedanken, dass sie nicht schnell genug abschalten können. Statt den Moment zu genießen, ist der Blick dieser Menschen immer sorgenvoll auf das Urlaubsende gerichtet: „Hoffentlich habe ich mich dann erholt.“ Das wird auch Liegestuhl-Depression genannt.

Mit der Arbeit im Urlaub

Arbeiten im Urlaub wird populär. Eine Studie zeigt, dass 20% der Deutschen auch im Urlaub brav weiter arbeiten, rund 1,4 Stunden täglich. In Österreich wird es wohl ähnlich aussehen.

Arbeiten im Urlaub

Wer im Urlaub tatsächlich faulenzt, macht sich verdächtig. Das Laptop am Ferienort soll doch die eigene Unersetzlichkeit demonstrieren, oder? Denn welchen Unterschied macht die eine Stunde Arbeitszeit im Urlaub?

Ist der Chef im Handgepäck dabei (dank Tablet oder Smartphone), verursacht jeder Anruf oder jede Email aus dem Büro, ganz unabhängig vom Inhalt – sei es eine Frage oder einfach nur der aktuelle Flurfunk, so viel Stress wie ein aufregender Bungee-Sprung. Dabei möchte ich jetzt nicht den Chefs unrecht tun; es sind vor allem die Kollegen, die im Urlaub anrufen, so eine Studie von lastminute.de

Selbst wer ein Sabbatical nimmt und in dieser Zeit nicht wenigstens zu Fuß die Erde umrundet oder mindestens ein Buch schreibt, scheint macht etwas falsch zu machen. Wie erreiche ich denn nun die wohlverdiente Entspannung? Es tut gut, sich vom Leistungsgedanken verabschieden. Und von übersteigerten Erwartungen an den Urlaub.

Stell Dir die Frage: „Was ist gut für mich? Für meine Gesundheit?“

Urlaubszeit ist Mehrarbeitszeit

Es sind die Kollegen, die Zuhausegebliebenen, die zum Störenfried im Urlaub werden können. Manchmal ist es ihnen nicht zu verdenken. In vielen Unternehmen übernimmt ein Kollege die Urlaubsvertretung und muss dann neben seinen eigenen Aufgaben auch noch bestmöglich die des Urlaubers erfüllen. Da tauchen schonmal Fragen auf und es kommen einige zusätzliche Arbeitsstunden zusammen.

Eine aktuelle Umfrage zeigt sogar, dass ein Drittel der befragten Arbeitnehmer „Urlaubstage auf Halde“ produziert. Urlaubsanspruch ist also reichlich vorhanden, Überstunden ebenfalls, nur fehlt es an Zeit, diesen Anspruch auch zu nutzen.

Urlaub auf Halde

Stress nach dem Urlaub reduzieren

„Der Urlaub war super, nur die Erholung war nach den ersten drei Stunden am Arbeitsplatz wieder weg.“ Das kann ich durchaus nachvollziehen, denn ich habe mir in der Vergangenheit nicht immer einen „sanften“ Start nach dem Urlaub gegönnt, sondern bin manchmal gleich im Anschluss wieder 120%ig ver-plant gewesen.

Geschickt ist es, in den ersten zwei bis drei Tagen nach dem Urlaub keine Termine anzunehmen, sondern diese Tage konsequent frei zu halten. Das gibt Zeit, um sich einen Überblick zu verschaffen, Emails und Post zu lesen und einfach wieder auf dem Laufenden zu sein.

Während des Urlaubs kannst Du Deine Emails vielleicht an einen Kollegen weiterleiten, der Dich eh vertritt. Das hat den Vorteil, dass Deine Emails alle gelesen und teils schon bearbeitet sind.

Der Umgang mit Emails während der Urlaubszeit ist in den Unternehmen sehr unterschiedlich. Einige Firmen finden es unpassend, Abwesenheitsnotizen einzurichten und über die Nichterreichbarkeit zu informieren. Andere, wie zum Beispiel Daimler, stellen es ihren Mitarbeitern frei, die Emails automatisch löschen zu lassen.

Wie kann Urlaub erholsam sein?

„Unternehmen müssen dringend Lösungen anbieten, um die Effizienz und Produktivität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen und diese gleichzeitig davor bewahren, in ihrer Freizeit zu arbeiten“, sagt Michael Barth, Deutschland-Geschäftsführer von Regus.

Das Minimum an Unterstützung ist eine glasklare Vertretungsregelung. Es ist klar, dass nicht jede Abwesenheit durch Ferienjobber kompensiert werden kann. Eine Verteilung der Aufgaben mit klaren Kompetenzen und Grenzen ist eine geeignete Hilfestellung. Niemand ist unersetzlich. Erst recht nicht, wenn Verantwortung und Aufgaben an mehrere Kollegen delegiert werden.

Noch einen Schritt weiter geht Richard Branson mit der Idee, Urlaub zu genehmigen, wann immer seine Mitarbeiter wollen. Kein Traum, sondern Realität in Richard Bransons Unternehmen Virgin. Keine Urlaubsanträge mehr, dafür ein System des Vertrauens und der Selbstverantwortung. Es gibt ein Aber, das Branson so formuliert: Voraussetzung sei, dass sich Arbeitnehmer nur dann freinehmen, „wenn sie 100 Prozent sicher sind, dass sie und ihr Team bei jedem Projekt im Zeitplan liegen und dass ihre Abwesenheit das Unternehmen in keinster Weise schädigt – oder, wenn wir schon dabei sind, ihre Karrieren.“

Zusammenfassung: Urlaub – Erholung oder Stressmacher?

Die Erwartungen an den Traumurlaub sind hoch. Warum soll die schönste Zeit des Jahres auf zwei oder drei Wochen begrenzt sein?

Stell konsequent das Handy tagsüber aus. Falls Du erreichbar sein musst, dann vereinbare mit Deinen Kollegen eine tägliche „Sprechzeit“ von 30 Minuten. Den Rest des Tages kannst Du dann locker abschalten.

Gönn Dir was Schönes, ganz nach dem Motto „Ich bin dann mal weg.“

Eine tolle Urlaubszeit wünsche ich Dir, hab Spaß!