Oft höre ich, dass Personaler sich nicht genug ernst genommen fühlen, sich als Spielball der Geschäftsleitung sehen und trotz aller Bemühungen selten die Chance bekommen, an der Unternehmensspitze mitzuwirken. Erst auf dem 1. HR Barcamp in Zürich am 26. März 2015 wurde die Fragestellung in einer Session „Standing des HR“ thematisiert.

Welche Bedeutung hat das Personalmanagement denn überhaupt noch? Wo liegt die Existenzberechtigung? Wie sehen Führungskräfte denn die Rolle der Personaler? Wo gibt es eine gute Zusammenarbeit?

Ich habe Olaf Kapinksi, der sich selbst als Führungskraft aus Leidenschaft bezeichnet, von LEBEN-FÜHREN gefragt, wie für ihn die optimale Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und HR aussieht.

Olaf hat im folgenden Gastartikel seine Ideen zusammengefasst.

(M)ein perfektes Recruiting

Der zentrale Auftrag an uns Führungskräfte ist es, Ressourcen in Ergebnisse zu verwandeln. Unsere Ressourcen sind zu weiten Teilen unsere Mitarbeiter, die dann wiederum mit den Werkzeugen arbeiten und die Ergebnisse erzielen. Soweit, so bekannt.

Eine Frage ist nun, wo unsere Mitarbeiter denn herkommen. Na klar, viele sind schon da, wenn wir unsere Abteilungen übernehmen, allerdings hat eine Führungskraft nach spätestens zwei Jahren die Mitarbeiter, die sie verdient. Und das müssen nicht immer die gleichen sein, die sie übernommen hat. Menschen entwickeln sich, daran ist nichts schlecht. Wenn sich nun ein Mitarbeiter aus meiner Abteilung wegentwickelt, wird Ersatz gebraucht. Zugegebener Maßen ist dieser Prozess in vielen Firmen immer noch der einzige Prozess, in dem HR eine echte Rolle spielt. Jahresgespräche und Mitarbeiterentwicklung sind zwar da, aber ich höre oft, dass bei sowas HR eher Ausführungsgehilfe ist als richtiger Treiber. Und Unangenehmes wie Abmahnungen oder Kündigungen werden dort gern abgeladen. Das ist aber eher ein Abwerfen, denn ein miteinander bearbeiteter Prozess.

Recruiting gehört ins Personalmanagement

Recruiting hingegen ist komplett HR-Territorium. Und genau darum soll es hier nun gehen. Und um das für mich perfekte Recruiting, ganz subjektiv. Ich selber habe mit einem knappen Dutzend verschiedener Personaler länger direkt zusammenarbeiten dürfen. Dazu habe ich sowohl Eindrücke von verschiedenen anderen HR-Mitarbeitern vom Augenschein, als auch aus der Beschreibung von Coachees und Kollegen gesammelt.

Zunächst mal ist es ziemlich egal, wie toll HR die Prozesse automatisiert und in Webseiten oder Apps gießt: Eine durchschnittliche Führungskraft stellt nicht oft genug Mitarbeiter ein, um richtig firm im Prozess zu sein. Hier zählt, zumindest für mich, der persönliche Ansprechpartner: Meine Business-Partnerin ist da meine erste Anlaufstelle. Und sie hört sich dann meine hochfliegenden Wünsche an, erdet mich an der einen oder der anderen Stelle und baut aus meinen wilden Formulierungen eine Anzeige zusammen. Weil ich ja Entscheider bin, gebe ich den Text dann frei und für mich schließt sich eine Tür. Weil: Ich habe keine Ahnung, was dann passiert. Und ich bin froh darüber. Froh darüber, dass mir Profis helfen und irgendwie Bewerber finden. Interne? Externe? Aus Stepstone? Von einer Messe? Keine Ahnung.

Wenn dann der erste Bewerber gefunden ist, bekomme ich gern eine Nachricht ins Email-Postfach. Nicht irgendwas auf Papier oder gar in kryptischen Kümmer-Dich-Gefälligst-Selber-Drum-Systemen, sondern in meine Inbox. Ich möchte auch gern ALLE Bewerbungen sehen, eine Vorauswahl mag ich nicht. Eine Vorbewertung hingegen schon, mehrere Augen sehen halt mehr.

HR als Antreiber und Überwacher

Und nun schlägt wieder die große Stunde von HR: Ich möchte gern am und im Prozess gehalten werden. Wie oft lese ich Bewerbungen, die nicht ganz gut und nicht ganz schlecht sind. Ohne Erinnerungen könnte ich diese Kandidaten auch leicht mal zwei Wochen herumliegen lassen, um dann immer noch keine Entscheidung zu haben. Ein kleiner Tritt, feste Termine und Erinnerungen halten mich fokussiert.

Wenn ich dann meine Auswahl getroffen habe, spiegele ich diese sehr gern mit meiner Business-Partnerin*, bevor es an die Bewerbergespräche geht. (*Übrigens: Mir ist das Geschlecht dabei ziemlich egal. Allerdings bin ich sehr vorgeprägt von meiner letzten, unglaublich exzellenten Business-Partnerin, daher bleibe ich hier dabei.) Ich werde sehr gern von HR auf die Gespräche vorbereitet. Sehr gute Erfahrungen habe ich mit eintägigen Workshops zu den Themen Telefon- und Live-Interview, jeweils incl. do’s & don’ts, Employer Branding und Recruitingprozess.

Profi im Bewerbergespräch

Im eigentlichen Gespräch wünsche ich mir eine klare Rollenverteilung zwischen meiner Business-Partnerin und mir. Gut lief bisher, wenn Sie An- und Abmoderation gemacht hat, ich die Firmenpräsentation und den Fachteil und sie die sogenannten „Softskills“ bearbeitet hat. Wie es aufgeteilt wird, ist letztlich egal. Nur habe ich gern auch Phasen, in denen ich weiß, dass ich nichts beitragen muss und mich voll und ganz auf das Beobachten konzentrieren kann. Oder nochmal nachdenken kann.

Und sie darf Profi sein: Wenn ich mir vorstelle, dass HR neben mir im Bewerbergespräch die Frage stellt „Was sind denn ihre Schwächen?“, graust es mir. Ich möchte dem Interview lauschen können und darf gern hin und wieder überrascht über ihre nächste Frage sein. Und nachher möchte ich gern einige Dinge hören, die ich nicht auch schon selber gesehen habe. Natürlich erwarte ich keine Beteiligung, wenn das Gespräch auf die Fachebene geht. Aber ich wünsche mir, dass sie genau dann auf die Meta-Kommunikation achtet und daraus Schlüsse zieht. In der Nachbesprechung liebe ich die Momente, wenn wir beide das Gleiche beobachtet haben und völlig unterschiedliche Schlüsse daraus ziehen. Oder wir beide die gleiche Kleinigkeit notiert haben. Oder ich mit Beobachtungen überrascht werde, die ich nicht wahrgenommen habe.

Übrigens: Ich kriege auch gern selber danach Feedback. Wenn ich schon mit einem Profi zusammen sitze, darf der mir hinterher auch spiegeln, wie ich denn so gewirkt habe. Umgekehrt hatten wir das auch schon.

Personaler als Partner

Ich hatte bisher das Glück, nur wirklich fähige Business-Partnerinnen gehabt zu haben. Und habe noch nie gegen deren Rat eingestellt. Jetzt sind wir an der Stelle, wo ich gern eine feste Business-PARTNERIN habe. Eine HR-Abteilung, die nur aus dem Hintergrund heraus agiert und die Dinge am Laufen hält, wäre mir zu wenig. Die fleißigen Bienchen hinter den Kulissen braucht es, nur  wünsche mir dazu noch einen festen Kontakt, zu dem ich dann auch eine Beziehung und vor allem Vertrauen aufbauen kann. Und der mit mir auf Augenhöhe agiert.

Wenn wir uns dann über die Einstellung einig sind, bin ich froh, wenn mir der ganze folgende Prozess wieder abgenommen wird. Vertrag, Betriebsrat, diverse Fristen…

Kurzer Rollenwechsel: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich als ehemaliger Bewerber und zukünftiger Neumitarbeiter den Kontakt zum neuen Unternehmen extrem Wert geschätzt habe. In der Zeit zwischen Unterschrift und erstem Tag hatte ich einige Kontakte mit HR, die bereits eine emotionale Bindung zum neuen Unternehmen aufgebaut hat. Toll.

Und wieder zurück: Wie weit der Recruiting-Prozess läuft, ist sicherlich von Firma zu Firma unterschiedlich, für mich endet er nach Abschluss der Probezeit. Ebenfalls dürfte der Umfang deutlich unterschiedlich sein. Für mich gehört die Erstellung der diversen Accounts (Computer, E-Mail, SAP, etc.), Equipment-Beschaffung, Keycards, Schlüssel, etc. allerdings dazu. Sowas lässt sich einfach automatisieren und sollte von den Systemen automatisch angestoßen werden, sobald der neue Mitarbeiter erfasst wird. Auch eine zentrale „Herzlich Willkommen“ Veranstaltung für die neuen darf gern dazu gehören.

Während der Probezeit hätte ich gern ein oder zwei Dreier-Gespräche mit dem neuen Mitarbeiter. Ist das in der Verantwortung von HR? Sicherlich nicht. Darf HR darauf hinweisen? Ganz bestimmt. Auch hier fälle ich gern die abschließende Entscheidung, ob der neue Mitarbeiter nach der Probezeit übernommen wird, gern zusammen mit meiner Business-Partnerin.

War das jetzt unerhört viel oder trivial wenig? Keine Ahnung. Das ist es, was ich mir wünsche.

Allerbeste Grüße an die gesamte HR-Community von
Olaf Kapinski

Zusammenfassung: Unerhört viel oder trivial wenig?

Ich denke, das ist von den verschiedenen Organisationsstrukturen abhängig. Grundsätzlich finde ich es sehr wichtig, dass das Gewinnen von neuen Mitarbeitern durch das suchende Unternehmen selbst erledigt wird. Wer kann besser für sein Unternehmen sprechen und die Menschen dafür begeistern als eigene Mitarbeiter?

Damit die Mitarbeiterfinde optimal läuft, dürfen Recruiter, Personalmanagement und Führungskräfte Hand in Hand arbeiten.

Wie siehst DU das? Wie sieht DEIN perfektes Recruiting aus?

 

Über Olaf Kapinski

Gutes Recruiting ist Teamwork

Olaf Kapinski ist Ingenieur und Führungskraft im aktiven Dienst. Er teilt seine Ideen und Erfahrungen in seinem Podcast LEBEN-FÜHREN mit anderen Führungskräften, um andere in Ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Und gemeinsam mit anderen Führungskräften immer besser zu werden.

Olaf ist zu finden auf: http://leben-fuehren.de