Vielleicht ist das gerade nicht der beste Zeitpunkt, um einen Blogartikel zu schreiben. In mir brodelt es und bestimmt ist Entspannung der bessere Zustand, um wohlüberlegte Worte zu wählen. Meine sprudeln allerdings gerade aus mir raus und was im Fluss ist, mag ich nicht aufhalten.
Ich habe eben mit einem Bekannten telefoniert. Er ist Bewerbungscoach und wir wollten uns locker unterhalten und schauen, was wir voneinander lernen können und uns gegenseitig inspirieren. Der wechselnde Blick auf die Bewerbung aus Sicht des Bewerbers und aus Sicht des Personalers – für mich spannend. Völlig klar, dass wir auch unterschiedliche Standpunkte vertreten.
Alles war gut. Bis zu der Frage „Willst Du Dich nicht auf EINE Branche spezialisieren? Das ist doch viel einfacher.“ Und dann folgten zig Hinweise, was ich anders machen könnte. Mein Hirn überschlug sich fast. Wieso meinte er, mein Business beurteilen zu können? Warum gab er mir ungebetene Ratschläge? Und noch einige Gedanken mehr, die ich schon erfolgreich gelöscht habe.
Nein. Ich spezialisiere mich nicht auf eine Branche, das erscheint mir auch nicht einfacher. Was mein Bekannter nicht verstanden hat: in meiner Arbeit geht es um Strukturen und nicht um Inhalte. Es ist völlig egal, in welcher Branche Du meine Tipps umsetzt und den vorgeschlagenen Wegen folgst und neue testest – es ist nur eine Struktur, die Du mit Inhalt füllst. Ein Modell, das sich mit beliebigen Inhalten füllen lässt.
Ungebetene Ratschläge
Über diesen ungebetene Tipp habe ich mich geärgert. In den letzten Wochen ist es mir oft aufgefallen, dass Menschen immer wieder Tipps geben, um die sie niemand gebeten hat.
Besonders gut kennen das wahrscheinlich junge Eltern. Schon mit dem Bekanntwerden der Schwangerschaft hat jeder Hinweise, was gesund und ungesund ist, welche Windeln gut sind, wie die Ernährung aussehen soll, damit das Kind lebenslang von Allergien verschont bleibt und und und. Die Liste der Ratschläge ist lang und wird noch länger, wenn das Baby auf der Welt ist.
Ich vermute hinter allen Tipps, die uns ungefragt erreichen, auch immer eine gute Absicht. Und trotzdem:
Diese ungebetenen Ratschläge nerven. Auch Rat-Schläge sind Schläge, die uns umso härter treffen je näher uns der Berater steht.
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Warum mögen wir ungebeten Ratschläge nicht?
Wie ich schon geschrieben hatte, gehe ich davon aus, dass es der Ratgeber gut mit uns meint.
Es ist unser Ego, das sich in unserer Reaktion darauf zeigt. Vielleicht fühlen wir uns kritisiert, klein gemacht, in unserer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, kontrolliert oder bei Gewohnheiten ertappt. Wie geht es Dir? Was sagt Deine Reaktion über Dich?
Mit den Verbal-Schlägern zurecht kommen
„Mit nichts ist man freigebiger als mit Ratschlägen, und mit nichts sollte man zurückhaltender sein.“ La Rochefoucauld
Ungebetene Ratschläge fühlen sich oftmals wie verbale Ohrfeigen an. Gerd Reimann, Psychologe aus Potsdam sagt, man könne den ungewollten Tipp einfach zurückspielen ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen. Einfach für den Hinweis bedanken und sagen, dass man diesen Gedanken auch schon hatte und zu einem anderen Ergebnis kam.
„Ich respektiere deine Meinung. Aber ich möchte gerne meine eigenen Fehler machen.“ oder „Das geht Sie nun wirklich nichts an, und ich möchte auch keine Ratschläge von Ihnen bekommen.“ Mach Deinen Standpunkt ganz deutlich.
Ungebetene Ratschläge verkneifen
Und jetzt zu Dir – und den vielen Klischees über Personaler. Diese netten, hilfsbereiten, immer um den anderen besorgten Menschen. 😉 Wie oft gibst Du ungebetene Ratschläge?
„Ich kann ihn doch nicht in sein Unglück rennen lassen… ich möchte ihm doch nur Das-und-das ersparen, …“
Ja. Ich sehe die gute Absicht. Und wenn Du jemanden auf diese Art und Weise „schützt“, dann beraubst Du ihn der Erfahrungen, die er gemacht hätte und die womöglich für seine Entwicklung wichtig gewesen wären.
Jeder Mensch hat das Recht auf seine eigene Entwicklungsgeschwindigkeit. Von außen betrachtet sieht man einiges oft viel klarer. Die Anleitung zum Glück scheint so naheliegend, dass es manchmal anstrengend ist, sich mit Tipps zurückzuhalten. Jeder darf in seinem Tempo seine Erfahrungen machen. Und der Helfer in uns darf dann einfach mal die Klappe halten.
Mit Fragen unterstützen
Das heißt nun nicht, dass Du niemanden mehr unterstützen darfst. Im Gegenteil. Es funktioniert ausgezeichnet mit Fragen.
Bevor Du mit der Tür ins Haus fällst, klopf doch erstmal an: „Darf ich dir sagen, was ich darüber denke?“, „Möchtest Du meine Empfehlung dazu hören?“ Der andere kann dann selbst entscheiden, ob er sich für Deinen Standpunkt interessiert. (Ein einfaches Nein liegt übrigens auch im Rahmen der Antwortmöglichkeiten. 😉 )
Stell Deinem Gesprächspartner offene Fragen, die ihn mit seinen Gedanken in eine Richtung führen, die er vielleicht noch nicht bedacht. Dabei ist schon so mancher Aha-Moment entstanden.
Hallo Silke,
ungebetene Ratschläge sind gruselig, ganz gleich in welchem Lebensbereich. Ich finde, da darf man ruhig auch ein bisschen dem Ratgeber auf die Füsse treten beim Kontern.
Das Bild mit dem Rat-Schlag gefällt mir. Das fürsorgliche Antworten, um dem Rat-Schläger nicht vor den Kopf zu stossen, das käme dem Abfangen des Schlages mit Wattepolster gleich. Manchmal tut es ganz gut, Mauer zu sein. So bekommt der Schläger die Wucht seines Schlages wieder selber ab.
Natürlich wird das in unserer seid-nett-zueinander-Gesellschaft nicht gerne gesehen. Moralisch verwerflich.
Mir geht es nicht um eine Auge-um-Auge-Mentalität, aber darum, dem Menschen auch hier seine Verantwortung und seine Grösse zurückzugeben. Was ich austeile, muss ich auch einstecken können. Mit derselben Wucht.
Sei gegrüsst,
von Herzen,
miRjana
Hoi Mirjana,
den Gedanken der Mauer finde ich interessant. Manchmal braucht es auch so deutliche Verhaltensweisen, damit die Aussage und Absicht deutlich beim anderen ankommen. Wahrscheinlich passiert das selten mit Wucht, wie Du schreibst. Zum einen, weil Sprache so weichgespült wird, dass wir uns selbst in härtester Kritik noch einkuscheln können. Zum anderen, weil wir es gewohnt sind, nett zu einander zu sein. 😉 Ich nehme an, dass es vielen Menschen gar nicht auffällt, dass die ungebetene Ratschläge erteilen. Ganz selbstkritisch: mir fällt es auch nicht immer auf.
Herzlichst, Silke
Hallo Silke
Danke für diesen wunderbaren Artikel. Was für ein Statement! Nix nervt so viel… Ratgeber stellen sich somit über einen. Und das ist alles andere als charmant. Schön, dass es endlich mal eine sagt.
Liebe Grüße Katharina
Liebe Katharina. danke! Ja, das musste einfach mal raus. Der Bekannte hat sich seitdem auch nicht mehr bei mir gemeldet. 😉 Alles gut. Herzlichst, Silke
Wenn jemand zu mir sgt: Du bist aber ne ganz Nette…..sage ich meist:
„Nö, bin ich nicht, will ich auch nicht sein.“
Ich mache mich nicht gerade beliebt, weil ich Grenzen setze, sage, was mir
nicht passt……
Und Ratschläge mag ich auch nicht.
„Nett“ – da fallen mir viele Sprüche ein. 😉
Grenzen setzen ist wichtig und richtig. Das überrascht dann einige, wenn man doch so „nett“ wirkt. Und die Auszeichnung „everybody´s darling“ ist oft die Glanzseite von „everybody´s Depp.“ Führt zu nichts.
Ich werde nun einfach auch mal die Klappe halten. Ich gebe auch hin und wieder Tipps, aber eigentlich stört mich das mittlerweile selbst, weil ich somit auch die Faulheit anderer Leute unterstütze, die sich diese Erkenntnisse auch mal selbst erarbeiten können, so wie ich es auch selbst machen musste. Google ist dein Freund, kann ich da nur sagen.
Einmal klugsch* ich aber noch. Bei meinem noch nicht veröffentlichten Beitrag steht der Satz: Ihr Kommentar wartet auf Modertaion.
Evtl. möchte das ja jemand korrigieren
Da gibt es nicht zu korrigieren, sondern nur freizugeben. Et voilà.