Da ackern kreative Köpfe und ganze Abteilungen, um die Unternehmen als attraktive Arbeitergeber zu positionieren, und dann kommen die Personaler und zerstören den mühsam aufgebauten guten Ruf als Arbeitgeber. Eine (oder keine) Nachricht oder das Verhalten in Gesprächen reichen beispielsweise aus, um das Unternehmen im schlechten Licht dastehen zu lassen. Dabei ist doch spätestens seit der Candidate Experience Studie 2014 bei jedem Personalverantwortlichen die Botschaft angekommen, dass nicht nur der Kunde, sondern auch der Bewerber König ist. Dachte ich zumindest.
Wie Bewerber den potenziellen Arbeitgeber wahrnehmen, ist keine Frage von Design und Hochglanzprospekten. In diesem Beitrag kommt Evelyn zu Wort und schildert ihr Fazit aus einem Jahr Bewerbungsmarathon.
Gastartikel von Evelyn Miksch
Wie Unternehmen bei der Mitarbeitersuche einen schlechten Eindruck machen – ein Erfahrungsbericht
Mein Name ist Evelyn und ich bin seit etwa einem Jahr auf der Suche nach einem Job. Bisher ohne nennenswerte Erfolge.
Zu Beginn meines Bewerbungsmarathons schätzte ich meine Chancen gut ein: Ich bin gelernte Industriekauffrau, habe einen Bachelor of Science, mehrere Praktika absolviert und an jedem Tag meines Studiums nebenbei Berufserfahrungen gesammelt. Hinsichtlich des gesuchten Jobs hatte ich folgende Erwartungen: eine faire Bezahlung entsprechend meiner Qualifikationen, eine Tätigkeit, bei der ich mich weiterentwickeln kann und einen Arbeitsplatz, für den ich meine Heimatstadt Leipzig nicht verlassen muss.
Vier Monate für eine Absage
Mit viel Hoffnung stürzte ich mich in den Bewerbungsprozess, per Mail, per Post oder direkt über die Firmen-eigenen Bewerbungsplattformen. Die Resonanz war ernüchternd. Im Rahmen meines Facebook-Blogs habe ich meine letzten 30 Bewerbungen aus 2014 (Oktober bis Dezember) genauer unter die Lupe genommen: Es ergaben sich 2 Bewerbungsgespräche. Von 10 Unternehmen erhielt ich nie eine Reaktion. Die Absagen der übrigen 18 Unternehmen haben im Schnitt 3,3 Wochen auf sich warten lassen. Spitzenreiter war die Stadtverwaltung. Nach einer Eingangsbestätigung vergingen 4 Monate bis zur Mail mit der Aussage „Inzwischen ist über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle entschieden worden“.
Willkommen zum Bewerbungsverhör
Die Bewerbungsgespräche bei Amazon und arvato Systems perdata (Softwareunternehmen in Leipzig) haben sich besonders tief in mein Gedächtnis gebrannt. Das Vorgehen bei Amazon war sehr unterkühlt und glich einer Amtsabfertigung. Vier Bewerber, inklusive mir, wurden getrennt voneinander in kleine Räume ohne Tageslicht geführt, in denen lediglich ein Tisch und drei Stühle standen. Die Wand zum Büro-Flur war vollständig verglast. Vier Personaler arbeiteten sich zu zweit von einem Raum zum nächsten, während jeweils zwei Bewerber warteten. Ich fühlte mich zur Schau gestellt und wie in einem Verhör.
Innerhalb einer Woche wollte man sich bei mir melden. Allerdings passierte nix. Telefonisch konnte ich niemanden erreichen und wenn doch, war der Ansprechpartner nicht vor Ort. Es kam nie zum versprochenen Rückruf. Erst drei Wochen nach dem Gespräch konnte mir endlich jemand sagen, dass man sich für einen anderen Bewerber entschieden hatte.
Von Personalern im Gespräch ausgelacht
Beim Bewerbungsgespräch in einem Softwareunternehmen musste ich erleben, wie mir die Personaler gegenüber saßen und mich auslachten. Es ging um meine SAP-Erfahrungen. In der Stellenausschreibung war die Rede von Grundkenntnissen, was ich mir durchaus zutraute. Im Gespräch wurden mir jedoch Fragen gestellt, die ich nicht beantworten konnte. Anstatt mit einem knappen „Tut mir leid, das weiß ich nicht.“ zu antworten, wurde ich rückblickend etwas kreativ.
Man stellte mir die Frage, ob ich denn schon ein SAP-Praktikum absolviert habe; offensichtlich hatte man sich meinen Lebenslauf nicht durchgelesen. Ich verneinte, woraufhin mir einer der Herren sagte, ich könne zwar sehr schön reden, aber Ahnung hätte ich nicht und er verstehe auch nicht, wieso ich mich überhaupt beworben hätte. Beide Personaler lachten herzlich und beendeten das Gespräch. Ich muss sicherlich nicht schreiben, wie demütigend dieses Bewerbungsgespräch war.
Der Mensch als Ressource
Es mag sein, dass der Mitarbeiter für ein Unternehmen eine Ressource darstellt, aber er ist immer noch ein Mensch und als solcher verdiene ich denselben Respekt, den ich auch Personalern entgegenbringe.
Besagter Respekt fängt für mich schon beim Eingang der Bewerbungsunterlagen an. In meinem Fall schafft es jedes dritte Unternehmen nicht, eine Eingangsbestätigung zu versenden.
Für ein junges Unternehmen, welches T-Shirts produziert, habe ich mir beispielsweise ein Shirt mit „10 Gründe wieso ihr mich einstellen solltet“ bedrucken lassen und das Bild an die Firmen-Facebook-Seite gepostet. Zugegeben, da gab es vermutlich auch schon andere Bewerber mit der Idee, jedoch sicher nicht so viele, um unbemerkt zu bleiben. Auf eigene Initiative, nach etwa 2,5 Wochen, hatte ich damals eine Ablehnung erhalten. Tatsächlich schlimm war für mich der Umstand, dass ich mir wirklich Gedanken zu meiner Bewerbung gemacht habe und es damit gewürdigt wurde, dass ich mir die Absage nach Wochen selbst abholen musste.
Unpersönliche Antworten
Immer wieder den bereits erwähnten Ablehnungs-Textbaustein zu lesen, lässt natürlich die Selbstzweifel und die Frage nach dem „Warum?“ wachsen. Zu Beginn meines Bewerbungsmarathons versuchte ich bei fast jedem Unternehmen die Gründe in Erfahrung zu bringen. Ohne Erfolg. Ich wurde x Mal durchgestellt, um dann zu hören, dass man darüber aus Angst vor rechtlichen Folgen keine Auskunft geben kann. Das kann ich natürlich nachvollziehen; es zeigt jedoch auch das fehlende Vertrauen in den Bewerber und seinen Umgang mit der Absage. Wenn es bereits im Bewerbungsprozess an Aufrichtigkeit mangelt, wie sieht dann das Arbeitsverhältnis aus? Diese Abwehrhaltung macht ein Unternehmen für mich unattraktiv und das kommuniziere ich auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis.
Mir hätte es so sehr geholfen, wenn mir ein Personaler gesagt hätte „Ihr Anschreiben, war für mich nicht motiviert genug“ oder „Wir brauchen jemanden, der französisch spricht und laut Ihren Angaben können Sie das leider nicht“.
Ich drehe den Spieß um und suche mir einen Chef
Nach etwa 70 Bewerbungen hatte ich keine Lust mehr, mich anzubiedern und wollte den Spieß umdrehen. Ich mietete eine Plakatwand, auf der ich im Stil einer Kontaktanzeige nach einem Chef mit Job suchte.
Unterstützend dazu habe ich eine Website aufgesetzt, auf der beispielsweise mein Lebenslauf zu finden ist. [Anmerkung: Die Website chef-mit-job-gesucht.de ist mittlerweile inaktiv, da Evelyn eine neue Herausforderung gefunden hat.]
Auf diese Aktion habe ich bisher ein Jobangebot erhalten, das Bewerbungsgespräch steht noch aus, und viele Nachrichten von Bewerbern, die ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht haben.
Inspiriert davon betreibe ich jetzt einen Facebook-Blog, auf dem ich alle meine Unternehmungen in Sachen Jobsuche mit der Öffentlichkeit teile und diskutiere. Davon erhoffe ich mir ein Umdenken auf allen Seiten. [Anmerkung: Auch der facebook-Blog existiert nicht mehr, da Evelyn eine neue Herausforderung gefunden hat.]
Bewerbungsverfahren sollten auf Augenhöhe stattfinden. Ich wünsche mir, dass Unternehmen auf jede Bewerbung reagieren. Dass Textbausteine abgeschafft oder zumindest individuell gestaltet werden, denn das wird von den Bewerbern bei all ihren Bewerbungen auch erwartet.
Außerdem hoffe ich darauf, dass Personaler im Bewerbungsgespräch Arbeitszeugnisse, die viele Arbeitnehmer inzwischen selbst schreiben, zur Seite legen und ihre Entscheidungen aufgrund ihrer Erfahrung und Menschenkenntnis treffen.
Ein weiteres No-Go für mich: Nach wie vor wird Bewerbern gepredigt, sie müssen in den ersten Zeilen ihrer Bewerbung vermitteln, dass sie für diesen einen Job von der nächsten Brücke springen würden. So schamlos kann ich persönlich nicht lügen. Die meisten Stellenausschreibungen bestehen aus ca. 200 Worten, welche vielleicht mein Interesse wecken. Nicht mehr und nicht weniger. Bewerber und Personaler wissen also voneinander, dass sie noch andere Optionen haben und dass es um ein Kennenlernen, ein gegenseitiges Beschnuppern geht. Warum sollte man das verschleiern?
Mein Wunsch an die Personaler
Von einem ehrlichen, aufrichtigen und respektvollem Umgang miteinander, angefangen bei der Einsendung einer Bewerbung, könnten alle Beteiligten so viel mehr profitieren.
Über Evelyn Miksch
Evelyn Miksch möchte mit den Erfahrungen aus ihrer eigenen Jobsuche anderen Bewerbern Mut machen. Sie berichtet über ihre Bewerbungen, Jobbörsen, Gehaltsvorstellungen, Bewerbungs-Coaches und vieles mehr. Mit einer öffentlichen Diskussion über den Umgang mit Bewerbern hofft sie auf ein Umdenken bei allen Beteiligten.
Hallo alle, hallo Evelyn
Dass dieses Thema sehr emotional ist, scheint mir absolut verständlich.
Allerdings finde ich einen Antwort-Schnitt von 3,3 Wochen nicht so schlecht. Und wenn der 4 Monate-Spitzenreiter rausgerechnet wird, ergibt sich eine Reaktionszeit von 2,9 Wochen, okay für mich. Ein Drittel ganz ohne Reaktion ist miserabel, keine Frage. Und 2 Gespräche auf 30 Bewerbungen schockt mich nicht, da kenne ich andere Zahlen.
Ich bin immer etwas skeptisch, wenn Menschen soooo lange nach einem neuen Job suchen. Aus der Ferne ist da m.E. keine Bewertung möglich, doch kann es sein, dass es nicht nur an den Firmen liegt.
Die beiden geschilderten Gespräche klingen sehr skurril, keine Frage. Und dass Unternehmen mit Ihrer Behandlung der Bewerber (auch der Abgesagten!) einen ungemein größeren Einfluss auf ihr Image haben als sie mit allen sogenannten Employer Branding-Strategien zusammen klingt zumindest für mich sehr logisch: Das eine ist das was die Firma sagt, das andere das, was der Laden dann wirklich tut.
Einen Punkt möchte ich dem Post noch hinzufügen: Die Pest des AGG. Keiner trau sich mehr, dem Bewerber ehrliches Feedback zu geben. Nur kann sich so kein Bewerber verbessern! Nur wenn die Leute dreimal in Folge hören, dass ihnen diese oder jene Qualifikation fehlt, dann können sie an sich arbeiten. Aber einfach nur absagen finde ich zu einfach. Hier nutzen mir viel zu viele HR-Departments die drei Buchstaben schlaffes Feigenblatt.
Liebe Personaler: Sagt den Bewerbern doch, wenn die das wollen, warum ihr sie nicht nehmt! Nur dadurch können sich die Menschen verbessern. Und nur dadurch bekommt ihr bessere Bewerber. Und DAS wäre mal echtes Employer Branding.
Liebe Grüße
OLAF DAMMANN 🙂
Hallo an alle, hallo Olaf,
vielen Dank für deinen Post und vor allem deine ehrliche Meinung.
Bei meinem letzten Bewerbungsgespräch wurde ich gefragt, welche Leiche in meinem Keller liegt, dass ich einen derartigen Aufwand (Plakat etc.) bei der Jobsuche betreiben muss. Im ersten Moment war ich geschockt, aber ich kann die Skepsis gegenüber meiner Situation inzwischen gut nachvollziehen. Die Frage lässt sich für mich trotzdem nur spekulativ beantworten: Es könnte daran liegen, dass ich zu hohe Gehaltsforderungen habe, dass ich (noch) nicht bereit bin, für den Job umzuziehen, dass ich ein Kind habe, dass ich den Eindruck erwecke, nicht mehr formbar zu sein, dass ich zu kreativ bin oder oder oder.
Da man die Gründe für eine Ablehnung nie erfährt, bleibt man einfach in einem Strudel voller Fragen gefangen. Eben weil diese Situation sehr emotional ist, tritt dann bei vielen Resignation ein. Schließlich genießt man als Arbeitsloser auch kein besonders hohes Ansehen und der Druck wächst, einen neuen Job zu finden. Man kommt also an den Punkt, an dem man fast jeden Job machen würde und mit sinkenden Anforderungen letztlich auch eine Anstellung findet.
In meinem Fall liegt es ebenfalls nicht an fehlenden Jobs. Ich persönlich bin jedoch nicht bereit irgendeinen Job zu machen, sondern klammere mich an die Hoffnung, dass es – beruflich gesehen – auch für meinen Topf einen Deckel gibt. Meiner Meinung nach sollten das viel mehr Bewerber machen. Allerdings ist das leichter gesagt, als getan :D.
Was das Verhältnis Bewerbungen – Bewerbungsgespräche und die Antwortdauer angeht, gebe ich dir recht: Das ist noch im Rahmen. Andererseits bin ich überzeugt davon, dass auch hier eine Verbesserung möglich ist und zwar ganz unkompliziert über konkrete Stellenausschreibungen. Wenn mir ein Unternehmen schreibt, dass auf eine Stellenausschreibung 200 Bewerber kommen, wobei bei 75 Prozent das Gesamtpaket nicht passt, sollte besagte Ausschreibung in meinen Augen dringend überarbeitet werden. Aber das ist nur meine Wahrnehmung und ich bin kein Experte, was mich jedoch nicht daran hindert, das Thema öffentlich zu diskutieren und bei den Unternehmen den Finger in die Wunde zu halten. 😀
Viele Grüße
Evelyn Miksch
Hoi Evelyn,
das ist eine starke Aussage: „Ich persönlich bin jedoch nicht bereit irgendeinen Job zu machen, sondern klammere mich an die Hoffnung, dass es – beruflich gesehen – auch für meinen Topf einen Deckel gibt.“ *Daumen hoch*
Manchmal ist es vielleicht notwendig, einen kleinen Kompromiss zu machen. Klein! Es wäre aus meiner Sicht total falsch und schade, sich für einen Job zu verbiegen. Das führt mittelfristig nur zu Unzufriedenheit auf allen Seiten.
Ja, sei Du selbst, positioniere Dich eindeutig und Du wirst bestimmt eine Arbeitsstelle finden, die dann mehr als „nur Job“ sein kann.
Viel Erfolg!
Silke
Hallo Evelyn und Olaf,
danke für den offenen Austausch. Finde ich klasse!
Gerade gestern war ich beim 1. HR Barcamp in Zürich, bei dem sich viele frechmutige Personaler getroffen haben, um die Zukunft von HR und die aktuellen Themen zu diskutieren.
Viele Personaler wissen, dass sie ihre Arbeit besser machen könnten, nur fehlt ihnen oft die Zeit für mehr Fürsorge und Individualität den Bewerbern gegenüber. Stellt sich also die Frage, wie mehr Zeit geschaffen werden kann, ohne das Universum ins Ungleichgewicht zu bringen. 😉 Und da stimme ich Evelyn zu: eine so gut formulierte Stellenanzeige, die mir zwar wenig Bewerber bringt, dafür genau die richtigen – das ist ein wichtiger Schritt!
Ja, das AGG ist wirklich ein Arbeitshindernis. Olaf, Du hast Recht: es als Ausrede zu nutzen, das ist mal sehr bequem. Ich bin der Meinung, dass jeder Bewerber, der nach den Gründen für die Absage fragt, auch eine ehrliche Rückmeldung verdient. Und schließlich liegt ein Lerneffekt daraus ja nicht nur beim Bewerber. Jeder Personaler kann sich dann auch gleich die Frage stellen, was er in seiner Stellenausschreibung noch präziser formulieren darf.
„Kontaktpunkte sind Knackpunkte“, war gestern beim HR Barcamp der Titel einer Session. Genauso ist es. Und bei der bunten Personalermischung habe ich gestern festgestellt, dass es einige „Rockstar-Personaler“ gibt, die ich jedem Bewerber und Mitarbeiter als Kontaktperson wünsche – und andere noch in alten Denkweisen des Verwaltens feststecken. Sind wir ehrlich: die können nicht ewig überleben. 😉 Die Arbeitswelt verändert sich … ja, nicht so schnell, wie wir es uns wünschen, und wir tragen dazu bei, dass es immer schneller geht.
Liebe Grüße, Silke